Angriff auf den Fachhandel

15.12.2023

Toys World Chef Toni Schumacher hat es wieder getan. Sein Geschäft in Paderborn erstrahlt seit Oktober in neuem Glanz. So zuversichtlich der Ost-Westfale auch in die Zukunft blickt, richtig Puls kriegt der Spielwarenhändler, wenn er an das Treiben der Hersteller auf Amazon denkt.

Ulrich Texter sprach mit Toni Schumacher.

Planet Toys Gefühlt. Gekauft. Geschenkt.

Manuela und Holger Bauer vom Babyfachgeschäft „Kleine Wunder“ in Wismar

Herr Schumacher, der Handel müsse sich neu erfinden, heißt es seit Jahren. Was haben Sie in Paderborn neu erfunden?

Toni Schumacher: Die Warenpräsentation, denn erfunden haben wir eigentlich nichts, sondern den Mut gehabt, mit Investitionen in die Zukunft einem rückläufigen Geschäft, das auf verändertes Kaufverhalten zurückzuführen ist, zu begegnen. Wir möchten, dass auch am Standort Paderborn ein Spielwarengeschäft bleibt. Außer Smyths wäre sonst hier kein weiteres mehr. Für die Renovierung haben wir uns auch deshalb entschieden, weil mein Herz für den Einzelhandel brennt und ich die Gattung Spielwarengeschäft nicht aussterben lassen will.

Jessica Schumacher: Unsere Idee war auch, ein Spielwarengeschäft zu schaffen, in dem die Kinder etwas ausprobieren, entdecken und erleben dürfen.

Das rechnet sich in diesen Zeiten? Auch am wirtschaftlich potenten Ost-Westfalen geht doch die schwierige konjunkturelle Lage nicht vorbei, oder?

T. S.: Das ist richtig. Nur zwei Beispiele: Miele und Nobilia Küchen haben Kurzarbeit eingeführt. Es werden kaum noch Küchen gekauft. Allerdings muss man sagen, dass man nicht Mondpreise im Möbelhandel aufrufen kann, um dann 60 % Rabatt zu geben. Das funktioniert nicht. Für uns sind die 250.000 €, die wir in die Renovierung des Geschäftes gesteckt haben, eine Wertschätzung den Mitarbeitern gegenüber, die natürlich nach den Umbauten in Gütersloh und Lippstadt auch hier einen Umbau erwarteten. 30 % der Belegschaft von Toys World ist über 20 Jahre dabei, davon sind 50 % sogar über 25 Jahre hier. Erfahrene Mitarbeiter sind unser Kapital.

 

Wertschätzung ist keine Garantie für vernünftige Zahlen.

T. S.: Nach dem Umbau, das zeigt sich bereits nach wenigen Wochen, kommen wieder ganz andere Kunden zu uns oder solche, die lange nicht mehr da waren. Die Umsätze zeigen nach oben. Außerdem habe ich gute Gründe dafür, dass es weitergeht. Ich trage Verantwortung für 70 Beschäftigte. Da kann man nicht einfach sagen, okay, das war‘s. Und die Weichen sind mit meiner Tochter gestellt.

 

Daraus ließe sich folgern, Spielwarengeschäfte sollten alle zehn Jahre umgebaut werden?

T. S.: Richtig. Man wird ja betriebsblind. In Paderborn war die „Ständeritis“ ausgebrochen, also die Neigung, immer neue Displays der Industrie aufzustellen. Dem haben wir einen Riegel vorgeschoben und gesagt: Wenn ihr eure Displays haben wollt, specken wir bei den Regalen eben um 50 cm ab. Dann könnt ihr eure Ständer haben. Damit war das Thema durch. Ich will hier klare Strukturen.

 

Dem Westfalen-Blatt sagten Sie zur Wiedereröffnung, Sie würden gegen den Online-Handel antreten. Wie steht es im Kampf Schumacher gegen Schumacher?

T. S.: Das ist unterschiedlich zu bewerten. Der Online-Shop, mit dem wir Vorreiter waren und mit dem wir ja international unterwegs sind, läuft im Hintergrund. Gott sei Dank sind wir hier wieder sehr gut unterwegs.

 

Und das läuft Ihrer Philosophie nicht entgegen?

T. S.: Ob es genau zu der Philosophie passt, ist eine andere Frage, aber wir müssen das einfach tun, um die entsprechenden Konditionen zu er- halten. Toys World kauft sehr viel im Container- Geschäft ein, und nächstes Jahr setzen wir mit der VEDES einiges mit Eigenmarken um. Den Nürnbergern fällt ja mytoys weg. Die VEDES hat eine Gesellschaft in Hongkong, die nahezu für alle Großen in der Branche arbeitet, jetzt auch für Toys World. Gemeinsam haben wir einen Premium-Bollerwagen nach unseren Wünschen gemacht, die ersten 480 schippern gerade auf See. Das sind Dinge, in die ich investiere.

 

Was wurde eigentlich an diesem Standort verändert?

T. S.: Der Umbau hat fünf Wochen gedauert, weil wir in einem leerstehenden Laden in direkter Nähe die Ware ausgelagert und das Geschäft dort wieder aufgebaut haben, um weiterzuverkaufen. Anschließend ging alles wieder zurück. Der alte Boden wurde rausgerissen, die Wände neu gestrichen, mehr Licht installiert, eine neue Regalierung mit 120 Endcaps und Eventzonen umgesetzt, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Die Regale wurden nicht neu gekauft, sondern aus Nachhaltigkeits- und Kostengründen alle refurbished, d.h. 10.000 Teile neu beschichtet.

 

2023 dürfte für die gesamte Online-Branche schwierig werden. Die bis Ende September auf- gelaufenen Umsätze liegen 13,7 Prozent unter dem Vergleichswert vom Vorjahr. Sie wachsen trotzdem, wie ist das möglich?

T. S.: Ja, wir wachsen gegen den Trend, weil wir die richtigen Artikel haben. Ich suche mir meine Nischen.

 

Sieht man von der Toy Worlds Sonderkonjunktur ab, ist der Markt doch eher schwierig.

T. S.: Nein, der ist nicht schwierig.

 

Die Zahlen sagen etwas anderes.

T. S.: Alle drei Läden funktionieren, der Kunde gibt Geld aus, nur nicht mehr in dem Maße wie zu Corona-Zeiten. Wir verkaufen schon jetzt viele Großpackungen für Weihnachten, weshalb wir bewusst auch auf eine 20 %-Aktion verzichten, um mehr Marge zu erwirtschaften. Toys World lebt von der günstigen Ware, die wir rechtzeitig eingekauft haben. Im Online-Geschäft liegen wir derzeit bei einem aufgelaufenen Plus von 15 % und es wird noch mehr.

 

Und wie sieht es bei den Geschäften aus?
T. S.: Da sind wir im Moment bei plus minus null, rechnen aber mit einem kleinen Plus.

 

Jahrelang hieß es, Online sei die Lösung. Betrachten wir Toys World Paderborn und sehen, was aus mytoys, windeln.de, Jako-o geworden ist, liegt die Vermutung nahe, dass die neue Strategie inzwischen heißt: Store first statt online first. Richtig?

T. S.: Man darf das stationäre Geschäft nicht vernachlässigen und wenn ich mir Familie Krömer ansehe, die die gleiche Denke mit ihren 19 kleineren Läden und den übernommenen mytoys Läden, die bestimmt um 1.000 m2 groß sind, hat, würde ich sagen, ja, da ist was dran und ein richtiger Schritt.

J. S.: Es ist wichtig, einen Laden zu haben, denn wenn ich mir vorstellen müsste, Kinder könnten nur noch online Ware sehen und nur digital bestellen, dann würde sehr viel von der Kindheit wegbrechen. Wir wollen Erlebnisse schaffen und Events bieten, um von Anfang an Kunden und Kinder mitzunehmen.

 

Ein hehres Ziel, aber keine Garantie dafür, dass, wenn Kinder bei Ihnen etwas erleben, auch Geschäfte überlebensfähig sind. Das zeigt die Entwicklung der letzten 20 Jahre.

J. S.: Wir brauchen eine Mischung aus beidem.
T. S.: Die Basis muss das stationäre Geschäft sein, aber wir brauchen stationär und online, um die Risi- ken zu minimieren, denn wenn etwas stationär nicht funktioniert, läuft es womöglich irgendwo online.

 

Zur Branchenentwicklung zurück. Haba – Insolvenz in Eigenverwaltung, bei mytoys ist Ende des Jahres Schluss, Playmobil streicht Hunderte von Stellen, Schleich wechselt die Führung, Lego hat im ersten Halbjahr ein bescheidenes Plus von 1 % erzielt. Haben wir es nicht doch mit einer Krise zu tun?

T. S.: Toys World rechnet mit einem Plus von 3 % in diesem Jahr, von Krise kann also keine Rede sein. Playmobil ist mit seinen Neuheiten für 2024 auf dem richtigen Weg. Lego ist mit seinem Marktanteil auf einem hohen Niveau, aber das Unternehmen macht gerade den Fehler, dass es die Sortimente aufbläht.

 

Ist das nicht ein weiteres Indiz dafür, dass im Markt generell zu viel Ware ist?

T. S.: Die Industrie hat sicherlich viel Ware im Markt oder auf Lager. Aktuell kommen viele Sonderposten auf den Tisch, wo ich natürlich zuschlage.

 

Wir haben Ihren Weihnachtsprospekt unter die Lupe genommen. Bei den Preisnachlässen könnte der Verdacht aufkommen, manchen Marken geht es nicht gut oder Toys World muss sein Lager räumen.

T. S.: Wenn die UVPs so hoch sind? Nein, im Ernst, das sind natürlich die echten UVPs. Bei Lego bin ich verpflichtet, Artikel, die bundesweit für die Weihnachtswerbung vorgesehen sind, zweimal zu bewerben. Bei diesen Artikeln braucht man erst gar nicht versuchen, sie um 20 % zu reduzieren. Wir machen vier Wochen die Preise mit, dann ist Schluss. Der Prospekt hat außerdem nur eine Gültigkeit bis 2. Dezember und nicht wie bei der VEDES bis Heilige Drei Könige, was ich betriebswirtschaftlich nicht verantworten könnte. Nach Black Week und Cyber Week haben viele keine Ware mehr und dann kommen wir ins Spiel. Außerdem kaufe ich in Fernost ein. Für mich bleibt immer was hängen. Gehen sie auf Amazon, da finden sie manchmal Preise unter der Gürtellinie. Ich habe jeden Artikel vorher gecheckt. Fast noch mehr bringt allerdings das Agieren von gemeinnützigen Integrationsgesellschaften in Rage.

 

Was haben Ihnen denn jetzt Werkstätten angetan?

T. S.: Damit keine Missverständnisse entstehen. Wir haben nichts gegen Inklusionsbetriebe und Stiftungen, im Gegenteil, wir arbeiten selbst seit Jahren damit zusammen, aber es geht aus meiner Sicht zu weit, dass Inklusionsbetriebe auch im Spielwarenmarkt als Händler mitmischen. Steinehelden und Bauduu (Steinebande, A.d.R.), um zwei Namen zu nennen, verkaufen LEGO-Sets 30 bis 40 € unter UVP, die eigentlich für den Fachhandel bestimmt sind. Ich habe die VEDES gefragt, was da los sei, und bekam zur Antwort, wenn wir das stoppen, würde es eben ein anderer machen. Eigentlich müssen diese Betriebe zu 10 % veredeln, aber faktisch vertreiben sie nur. Bei idealo steht Steinehelden immer ganz oben, weil sie die Ware nur mit 7 % MwSt. berechnen müssen. Dem Fachhandel gehen Millionen an Umsatz verloren, und der Preisautomatismus der Großen geht auf die Preise ein.

 

Hersteller agieren mit eigenen Stores bei Amazon. Leidet Toni Schumacher darunter?

T. S.: Die Hersteller, die den Amazon Marketplace selber bespielen, sind direkte Konkurrenten für uns. Wenn der Kunde auf Amazon Stores von Tonies oder anderen direkt einkaufen kann, wird er das tun, weil er sieht, oh, 35 % Rabatt und ich erhalte noch ein Sondertier? Oder die Hersteller werben damit: Kaufe drei, zahle zwei! Einmal die Kundennummer vergeben, erhalten sie dann regelmäßig einen Newsletter. Solche Spielchen machen dem Fachhandel das Leben schwer. Aus diesem Grund gibt es bei uns keine QR-Codes am Regal, weil wir nicht möchten, dass Kunden ihn einscannen und sich für den Newsletter anmelden.

 

Was sind Ihre Forderungen?

T. S.: An erster Stelle, dass sich die Hersteller als Marketplace-Teilnehmer von Amazon fernhalten, sich mehr für den Fachhandel positionieren und noch mehr Exklusivartikel und Sonderkonditionen bieten. Wer sich da nicht einsichtig zeigt, sollte verbandsübergreifend in einer roten Liste geführt werden oder bei den Verbänden und den Geschäften ausgelistet werden. Bei einem Unternehmen hat es schon funktioniert.

 

Ist das nicht eine Illusion?

T. S.: Wenn wir weiter die Füße stillhalten und nichts machen, folgen selbst kleine Firmen. Lässig ist ein weiteres Beispiel. Meine Tochter wollte die Marke unbedingt aufnehmen. Über zwei Monate haben wir die Preisentwicklung beobachtet und am Ende sagen müssen, dass es keinen Sinn ergibt, sie zu führen, weil sie keine Marge bietet. Aktuelle Beispiele liefern Berg Toys und Kapla, die die Konditionen kürzen, um allein auf Amazon aktiv zu sein.

 

Heißt doch, dass Sie a) bestimmte Produkte auslisten müssen oder b) nicht mehr aufnehmen werden?

T. S.: Bei manchen Marken wie Götz ist es mir schwergefallen, trotzdem führe ich die Marke, weil ich ein gewisses Sortimentsniveau haben möchte, was andere nicht haben. Wir müssen als Fachhandel die Hersteller überzeugen, dass wir das Schaufenster für die Industrie sind und die Regalmeter nach Kriterien wie zum Beispiel Amazon Direktverkauf vergeben. Amazon Store heißt dann schlechtere Platzierung im Laden oder geringeres Sortiment oder sogar Auslistung.

 

Der eine bleibt drin, der andere fliegt raus, untergräbt das nicht Ihre Strategie?

T. S.: Wir entscheiden im Einzelfall, weil ich weiß, dass ich sonst bald nichts mehr hier drinstehen hätte, wenn ich päpstlicher als der Papst wäre.

 

Und dass die Verbände als zahnlose Tiger verrufen sind, wissen Sie, oder?

T. S.: Ja, deswegen reden wir ja auch mit Ihnen. Die Hersteller sollten aufgrund der extrem niedrigen Bezugskosten aus Fernost ihre Preise endlich anpassen und den allgemeinen Preisentwicklungen entgegenwirken. Johntoy ist eine rühmliche Ausnahme. Übers ganze Jahr hinweg werden al- le Artikel ständig nach Neulieferung in dessen Lager aufgrund niedrigerer Frachtraten abgepreist. Das ist vorbildlich, was man von einem bestimmten Großhändler nicht behaupten kann.

 

Was ist da passiert?

T. S.: Leider treibt auch ein Großhändler sein Engagement als Einzelhändler auf Amazon voran. Eigentlich hat er die Funktion, die Versorgung der Ware für die Einzelhändler sicherzustellen, die aufgrund der Umsatzgröße aus der Direktbelieferung fallen, aber dann werden auch noch extrem gefragte Artikel gesperrt, um diese dann selbst zu verkaufen. Durch die Großhandelseinkaufspreise hat er klare Wettbewerbsvorteile und gelangt schnell in die Buybox.

 

Brüssel arbeitet an einer neuen Spielzeugverordnung. Das Mikroplastikverbot gilt seit dem 17. Oktober. Trifft Sie das als Händler?

T. S.: Wir haben mit etlichen Herstellern gesprochen. Djeco hat viele Glittersachen im Sortiment, in der Kreide von Faber-Castell steckt das Zeug. Nach Angaben der Hersteller haben sie schon Alternativen in der Schublade, um die Produkte umzustellen. Die Altware können wir weiter verkaufen, da haben wir uns abgesichert.

 

Das große Weihnachtszittern in der Branche hat begonnen. Was sagen Sie: Geht’s gut oder nicht? Gilt auch 2023 die Maxime, dass am Kind zuletzt gespart wird?

T. S.: Die Aussage würde ich unterschreiben.
J. S.: Wir blicken positiv in die Zukunft.

Frau Schumacher, Herr Schumacher, wir bedanken uns für das Gespräch.