Aus der Idylle in die Welt
Aus der Idylle
Im Frühjahr 2023 hatte der Otto-Konzern das Ende der Filialen seiner Spielwarensparte myToys angekündigt. Nun kommt es anders. Im Rahmen der Abwicklung seiner Sparte hat Otto sich für den Fortbestand der 19 stationären Läden entschieden und eine große Paket-Lösung ausgehandelt. Wobei es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte. Denn für einzelne Standorte hatten sich nach Informationen von planet toys auch andere Spielwarenhändler interessiert. Sie haben nun das Nachsehen.
Da es den Krömer-Brüdern gelungen ist, sich das gesamte Filialnetz zu sichern, verdoppelt sich der Bestand ihrer eigenen 19 Filialen. Für den Otto-Konzern war dieser Verkauf im Paket nach Einschätzung von Insidern die eleganteste Lösung, um möglichst geräuschlos das Ladengeschäft (Umsatz rund 25 Mio. Euro) der verlustreichen Spielwarensparte loszuwerden. Komplett eingestellt wird spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs 2023/24 die myToys Online-Plattform (Umsatz rund 482 Mio. Euro). Der Markenname myToys findet auf der eigenen E-Commerce-Plattform otto.de eine neue Heimat.
BILDERBUCH-STANDORTE
Kennzeichen der unter dem Namen „Spielwaren Krömer“ geführten Filialen ist ihre regionale Stärke. Der Familie Krömer ist es über Jahre gelungen, vom Stammsitz in Schrobenhausen aus in Bayern ein Netz von 19 Geschäften aufzubauen. Die Auflistung der Standorte liest sich wie der Reiseführer zu Süddeutschlands schönsten Urlaubsregionen. Besonders attraktiv ist die Filiale in Tegernsee in direkter Nachbarschaft zum gleichnamigen Gewässer. Krömer-Läden gibt es zudem in Bad Tölz, Füssen, Garmisch-Partenkirchen oder Starnberg. Die Filialen befinden sich meist in bester Innenstadtlage mit überschaubaren Verkaufsflächen.
Ganz anders die myToys-Welt. Mit der Übernahme dieses Reichs sind die Brüder Christian und Daniel Krömer zu Großflächenbetreibern geworden, deren Besitz über ganz Deutschland verstreut ist. Er reicht von München über Stuttgart, Worms, Essen, Berlin bis nach Leer in Ostfriesland und Hamburg. Das wird eine logistische Herausforderung. Zudem befinden sich die meisten der myToys-Filialen in Einkaufszentren. Einem Vertriebskonzept also, das schon bessere Zeiten erlebt hat, insbesondere was die Besucherfrequenz betrifft.
TOYSINO ERSETZT MYTOYS
Trotz allem unternehmerischen Wagemut setzen die Krömer-Brüder deshalb bewusst auf Risikominimierung. Die myToys-Filialen werden nicht ins bisherige Handelsunternehmen integriert, sondern unabhängig von den bayerischen Läden betrieben. Das geschieht über die Toysino GmbH, eine am Stammsitz neu gegründete Gesellschaft, mit beiden Krömers an der Spitze. Beide übernehmen diese Aufgabe zusätzlich zum bisherigen Traditionsgeschäft. Auch wenn die Standorte der Otto-Tochter erhalten bleiben, wird myToys als stationäre Marke also trotzdem verschwinden und von den neuen Besitzern durch den Namen „Toysino“ ersetzt. Was den Kaufpreis betrifft, haben beide Vertragspartner Stillschweigen vereinbart. Nicht auszuschließen ist, dass der Otto-Konzern nicht nur Zugeständnisse bei der Höhe gemacht hat, sondern eventuell sogar eine Mitgift mitgegeben hat, um den beiden Krömer-Brüdern den Start zu erleichtern. In der Handelsbranche sind solche Deals durchaus üblich.
SCHWIERIGES MARKTUMFELD
Auf Christian und Daniel Krömer kommen auf einen Schlag viele finanzielle Belastungen zu, die wegen der im Jahr 2023 rückläufigen Branchenumsätze in einem schwierigen Marktumfeld erwirtschaftet werden müssen. Was das Personal betrifft, äußern sich beide Geschäftsführer in der gemeinsam mit Otto veröffentlichten Pressemitteilung mit einer gewissen Vorsicht. Es heißt dort: „Die Toysino GmbH möchte die rund 160 Mitarbeitenden in den 19 myToysFilialen mit ihren bestehenden Arbeitsverträgen weiterbeschäftigen.“ Da scheint es noch Klärungsbedarf zu geben.
Geboten werden soll in den künftigen ToysinoFilialen ein breites Sortimentsspektrum, das „namhafte Spielwarenmarken, Bücher, Schulbedarf, Partyartikel, Babyartikel und Kinderbekleidung umfasst“.
KONSEQUENTER AUSSTIEG
Für die Otto-Gruppe gab es keine Alternative zur Abwicklung ihrer Spielwarensparte myToys. Denn wie der Blick auf den seit Mai dieses Jahres im Bundesanzeiger verfügbaren Geschäftsbericht 2021/22 zeigt, verbesserte sich die seit Jahrzehnten desaströse finanzielle Lage (siehe pt 2-23) erneut nur marginal. Die Umsätze gingen auf rund 520 Mio. Euro (2020/21: 529 Euro) zurück. Immerhin konnte ein Jahresüber- schuss erwirtschaftet werden. Unter dem Strich blieben rund 8 Mio. Euro, im Geschäftsjahr davor waren es sogar rund 10 Mio. Euro Gewinn. Zu wenig aber, um den gewaltigen über die Jahre angehäuften Bilanzverlust entscheidend zu schmälern. Dieser betrug laut Veröffentlichung im Bundesanzeiger rund 232 Mio. Euro. Die myToys-Geschäftsführung sei mit der Entwicklung von Umsatz und EBIT „zufrieden“, heißt es im Jahresabschluss 2021/22. Das Konzept mit eigenen Shops und Online-Plattform habe „erwartungsgemäß hohe Erfolgsaussichten“, heißt es an anderer Stelle. Der Otto-Vorstand und die Gesellschafter sahen das anders. Der Erfolg eines unbedingt erforderlichen Turnarounds bei myToys sei „weder seriös planbar noch realistisch“. Deshalb läuft seit März 2023 die konsequente Abwicklung der Sparte, die mit dem Verkauf des stationären Geschäfts an die Toysino GmbH einen ersten Abschluss gefunden hat. zim