Die Boomzeiten sind endgültig vorbei

27.01.2024

In der Weihnachtssaison hat sich der Abwärtstrend des Jahres 2023 fortgesetzt. Die Umsätze im Handel blieben rückläufig. Ein anderer Trend hat sich bestätigt: Sonderkonjunkturen einzelner Hersteller sorgen verlässlich für Lichtblicke.

Planet Toys Gefühlt. Gekauft. Geschenkt.

Beschwörungsformeln sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Das muss auch die Spielwarenbranche erleben. Denn dass am Kinde zuletzt gespart werde, lässt sich in dieser Bestimmtheit nicht mehr behaupten. Insider teilen mittlerweile untereinander die Erkenntnis, dass der Handelsumsatz der Branche 2023 statt des bislang prognostizierten Minus von 4 Prozent sogar um 5 Prozent unter dem des Jahres 2022 liegen dürfte. Mit rund 4,5 Mrd. Euro wird immerhin das hohe Niveau der Jahre seit 2020 gehalten. Was aber nichts daran ändert, dass die gesamte Branche nicht nur Umsatz-, sondern vor allem Ertragsprobleme hat.

 

SCHWACHER START IN DIE HAUPTSAISON

Grund für das größere Minus bei den Umsät-zen im Handel: Auch das Weihnachtsgeschäft hat im für die Branche entscheidenden Jahresendspurt keinen Umschwung mehr gebracht. Insider berichten zwar davon, dass in der letzten Woche vor dem Fest die Abverkäufe insgesamt um etwa 4 Prozent zulegten. Das war aber nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Denn bereits im Oktober war die Weihnachtssaison schwach gestartet und blieb es im gesamten Verlauf auch. Im gesamten November sollen die Abverkäufe sogar um 10 Prozent unter denen des Vergleichsmonats 2022 gelegen haben.

Erfreulicherweise zeigte sich allerdings auch während der Spielwarenhauptsaison, dass die Branche nach wie vor über eine breite Lieferantenstruktur verfügt. Sie sorgt für eine beachtliche Angebotsvielfalt, die erkennbar von denVerbrauchern honoriert wird. Es gehört zu den Besonderheiten des deutschen Marktes, dass es neben international agierenden Konzernen wie Lego, Mattel, Hasbro, Ravensburger oder Simba auch zahlreiche leistungsfähige kleinere Unternehmen gibt. Teils handelt es sich dabei um Vertriebsgesellschaften ausländischer Markenartikler, aber auch um hierzulande ansässige Mittelständler, oft noch inhabergeführt.

 

STARKE FIRMENKONJUNKTUREN

Dass zumindest die letzte vorweihnachtliche Verkaufswoche mit einem größeren Umsatzplus für die Spielwarenbranche endete, war im Wesentlichen ihnen zu verdanken. Deutliche Zuwachsraten bei den Abverkäufen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 2022 verzeichneten etwa die Spielehersteller Pegasus oder Denkriesen. Verbuchen konnte der Handel höhere Umsätze auch mit Produkten von Bruder, ASS Altenburger oder Schmidt. Mit dem von ihr etablierten neuen Segment digitaler Hörspiele wird die Düsseldorfer Tonies GmbH mit ihrer gleichnamigen Box von einer eigenen Sonderkonjunktur getragen. Das bestätigte sich auch in der Vorweihnachtswoche, in der Tonies-Produkte stark nachgefragt waren.

Zu den Gewinnern des weihnachtlichen Endspurts im Handel gehörten vor allem beliebte Trendprodukte wie Pokémon, Squishmallows oder Paw Patrol von Lieferanten wie Spin Master, Jumbo, Asmodee, Moose, Jazwares oder Funko.

 

PHASE DER NORMALISIERUNG

Es sind weitgehend auch diese Unternehmen, die bereits im Lauf des Jahres 2023 mit kontinuierlichen Zuwächsen dafür sorgten, dass der rückläufige Trend zu keinem massiven Absturz des Branchenumsatzes führte. Denn ohne diese Firmenkonjunkturen wäre genau das eingetreten. Selbst Marktführer Lego musste 2023 anders als in den vergangenen Jahren bei den Abverkäufen im Handel Einbußen hinnehmen, berichten Branchenkenner. Ebenso erging es den meisten der Top 10 des Lieferantenrankings. Deren Handelsumsätze schrumpften nach Einschätzung von Insidern bei manchen sogar zweistellig, etwa bei Playmobil oder auch Schleich.

Der Rückgang des Umsatzvolumens im vergangenen Jahr wird von Branchenexperten allerdings auch als eine gewisse Normalisierung bewertet. Denn unbestritten hatten die zurückliegenden CoronaJahre einen Boom ausgelöst, wie er nur in außergewöhnlichen Zeiten entsteht. Weil Schulen und Kindertagesstätten geschlossen bleiben mussten, wuchs die Nachfrage insbesondere nach Beschäftigungsspielen und anderen Produkten für einen sinnvollen Zeitvertreib für Kinder und Jugendliche enorm. Während 2019 im letzten Jahr vor der Pandemie die Handelsumsätze noch bei etwa 3,4 Mrd. Euro lagen, erreichten sie 2020 das Rekordniveau von 4,7 Mrd. Euro. Dieses wurde 2021 mit einem Branchenvolumen von 4,9 Mrd. Euro sogar noch übertroffen, um dann 2022 auf 4,7 Mrd. Euro zu sinken. Insofern befinden sich die Erlöse 2023 trotz des deutlichen Rückgangs um 5 Prozent mit rund 4,5 Mrd. Euro immer noch auf einem beachtlich hohen Niveau.

 

ONLINE-GESCHÄFT MIT EINBUSSEN

Wegen der staatlich angeordneten monatelangen Schließungen des Fachhandels waren insbesondere der weiterhin geöffnete Lebensmittelhandel oder auch Drogeriefilialist Müller mit seinen Spielwarensortimenten sowie der E-Commerce während der Pandemie zunächst klare Krisengewinner. Nach dem Ende dieser strengen Schließungsregelungen ist es dem Fachhandel allerdings gelungen, verlorenen Boden wieder gutzumachen.

Der Siegeszug des Online-Handels blieb aus, er musste generell 2023 in Deutschland sogar zum ersten Mal, seitdem es ihn gibt, teils deutliche Rückgänge verzeichnen. Bei den Umsätzen mit Spielwaren war das genauso. Das Minus dürfte nach Branchenschätzungen bei zwischen fünf und sechs Prozent gelegen haben. Bei den Fachhändlern lag das Minus, so andere Schätzungen, bei ungefähr bei 3 Prozent. Massiv haben erneut die Filialisten des Lebensmittelhandels und anderer Großflächenbetreiber bei ihren Abverkäufen von Spielwaren eingebüßt. Das Umsatzminus 2023 soll bei deutlich mehr als 15 Prozent gelegen haben.

Dieser Absturz hat zum einen damit zu tun, dass die coronabedingte Sonderkonjunktur in diesen Vertriebsformen schnell wieder vorbei war. Zum anderen hängt es mit dem Ausscheiden eines wichtigen Händlers aus dem Marktgeschehen zusammen. Denn der Verkauf der Metro-Tochter Real an Investoren endete mit der Zerschlagung des SB-Warenhausunternehmens.

In den vergangenen zwei Jahren teilten sich Kaufland und Edeka den Großteil der Real-Häuser. Die wenigen nicht verkäuflichen Standorte starteten unter neuer Regie unter dem Logo „Mein Real“ neu, werden mangels Erfolg aber in den nächsten Monaten komplett abgewickelt.

REALITÄT HEUTE: Spielwaren<br />
zur Weihnachtszeit<br />
in der Aldi-Schütte.

Verkaufsflächen verschwinden. Einst wichtige Player ziehen sich zurück.

ZAHL DER VERKAUFSFLÄCHEN SINKT

In den besten Zeiten war Real einer der umsatzstärksten Lebensmittelhändler, mit den NonfoodSortimenten war er im LEH die Nummer 1. Nicht zuletzt wegen der kompetent geführten Spielwarenpräsentationen. Unter den neuen Eigentümern Kaufland und Edeka werden sie nicht mehr in diesem Umfang weitergeführt, die früheren Umsatzhöhen deshalb nicht mehr erreicht. Ebenso verhält es sich beim Warenhausunternehmen Galeria Karstadt Kaufhof, das seine Glanzzeiten längst hinter sich hat. Einst ein führender Spielwarenanbieter, hat sich Galeria aus diesem Sortiment sukzessive zurückgezogen. Verloren ging damit auch ein entscheidendes Element des Erlebniskaufs: gelungene sichtbare Inszenierungen. Im Weihnachtsgeschäft waren über viele Jahrzehnte die Warenhäuser regelrechte Leuchttürme der Branche. Mit ihren oft prächtig mit Spielwaren dekorierten Schaufenstern waren sie in den Innenstädten Hingucker für alle Passanten, vor allem für Familien. Das war Verkaufsförderung, von der die gesamte Branche profitierte. Dass diese Zeiten vorbei sind, bedauern deshalb auch Wettbewerber.

Der Spielwarenhandel steht unter einem enormen Ertragsdruck. Rückläufige Umsätze, Kostensteigerungen bei Mieten, Energie und Löhnen zehren an der Substanz. Die komplette Abwicklung der Otto-Tochter Mytoys, mit über 500 Mio. Euro eines der großen Unternehmen dieser Branche, die mit dem Ende des Geschäftsjahres im Februar 2024 abgeschlossen sein wird, verdeutlicht diese Brisanz. Kennzeichnend für die angespannte Lage war aber auch der innerhalb weniger Jahre zweite Gang des Händlers Spielemax zum Insolvenzgericht.

 

LICHTBLICKE IN SCHWIERIGER ZEIT

Brisant bleibt ohnehin, dass alte Branchenweisheiten an Verlässlichkeit verlieren. So auch die Gewissheit, dass die Woche nach Weihnachten immer besonders umsatzstark ist. Das war 2023 nicht mehr der Fall, berichten Lieferanten und Händler. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat es offensichtlich einen erheblichen Umsatzeinbruch bei den Abverkäufen gegeben. Gewiss bleibt deshalb für 2024 nur, so betonen Insider, dass der Strukturwandel der Spielwarenbranche an Dynamik zunehmen wird.

Der Wandel bietet auch Chancen. Das zeigen die Aktivitäten vieler engagierter Einzelhändler, die sich allerdings von zunehmenden bürokratischen Hemmnissen oft genug ausgebremst fühlen. Unternehmerische Risikobereitschaft beweisen die Brüder Christian und Daniel Krömer, erfolgreiche Händler aus Bayern. Mit der Übernahme der zum Verkauf stehenden Mytoys-Filialen konnten sie in Deutschland 18 von 19 Standorten sichern.

Einen behutsameren Weg geht Rofu mit seiner Expansionsstrategie. Sukzessive werden leerstehende Läden übernommen, die ins Gefüge des eigenen Filialnetzes passen. Demnächst stehen weitere Neueröffnungen an, unter anderem in Halle. Nicht nur einzelne Lieferanten, sondern auch Händler sorgen deshalb für Lichtblicke in einem schwierigen Markt.
Tassilo Zimmermann