Die Branche wird sich wundern

6.10.2023

Vor zehn Jahren übernahm die Hape-Gruppe Käthe Kruse. Die hohen Erwartungen, die mit dem Lustkauf verbunden waren, erfüllten sich nicht. Jetzt macht Peter Handstein den Fall zur Chefsache – und kündigt gleich mal einen Relaunch an.
Planet Toys Gefühlt. Gekauft. Geschenkt.

Herr Handstein, im CEO Magazine war zu lesen, dass Hape vor einigen Jahren die Führung in der Branche übernommen hat. Ist uns da etwas entgangen?

Peter Handstein: Natürlich ist Lego Marktführer, aber Marktführerschaft ist auch eine Frage der Definition. In den letzten drei Jahren ist die Hape-Gruppe massiv gewachsen. Der Umsatz wurde verdoppelt. Wir sind jetzt bei 350 Mio. € angekommen. Das sind mehrheitlich Produktionsumsätze, die man mit drei oder vier multiplizieren kann, wenn wir von Endkundenumsätzen sprechen.

 

Reicht immer noch nicht für die Marktführerschaft.

P.H.: Beziehen wir Marktführerschaft auf nachhaltiges Spielzeug aus Holz, Bambus und Kork sowie auf Lernspielzeug, dann, denke ich, dürfte Hape Marktführer sein. Nachhaltigkeit war immer mein Steckenpferd. Mit Amorim, dem größten Korkproduzenten der Welt, haben wir die erste CO2-negative Spielzeugfirma gegründet.

 

Vor ein paar Jahren stellten Sie sich die Frage, ob Deutschland Hape überhaupt will. Braucht das Land wenigstens Käthe Kruse?

P.H.: Gute Frage. Vor gefühlten acht Jahren standen noch Firmen wie Haba, nic oder Selecta im Saft. Die waren richtig gut, sodass man sich zwangsläufig die Frage stellen musste, ob man uns braucht. Wenn dann auch noch andere Preissegmente von Firmen wie Gollnest & Kiesel, Legler, Heros und Eichhorn bedient werden und der Markt damit eine solche Dichte aufweist, kann man sich schon fragen, wo ein Platz für Hape wäre. Heute würde meine Antwort anders ausfallen, weil sich einige verabschiedet oder den Rückwärtsgang eingelegt haben, während wir mit unserer Marke seit gut 10 Jahren auf dem Vormarsch sind. Hape ist heute eine Marke, nicht mehr ein reiner OEM-Hersteller.

 

Warum erst seit zehn Jahren?

P.H.: Wenn du für deine eigenen Wettbewerber produzierst, musst du natürlich auch sehr behutsam vorgehen. Ich glaube, das haben wir jetzt ganz gut geschafft.

 

Noch einmal, braucht Deutschland Käthe Kruse oder war es doch nur ein Lustkauf?

P.H.: Als ich vor 10 Jahren Käthe Kruse übernommen hatte, dachte ich, mit der Internationalität von Hape könnte ich Käthe Kruse Flügel verleihen und da andocken, wofür die Marke immer stand. Ein bisschen war das Wunschdenken. Ich selbst war zu stark in das Wachstum eingebunden, um mich selbst intensiver um Kruse kümmern zu können. Dabei sind Kollektionen entstanden, die auf dem Markt nicht so richtig ankamen. Vielleicht hatte ich auch nicht ein so glückliches Händchen mit den Personen, die die Kollektionen zu verantworten hatten. Ja, die Erwartungen haben sich einfach nicht erfüllt. 2019 haben wir dann das Ruder herumgerissen und Käthe Kruse bei Toynamics integriert, was Vertrieb und Produktentwicklung angeht. Seit dem Tag verliert Käthe Kruse jedenfalls kein Geld mehr. Allerdings war die Strategie da noch nicht auf Zukunft ausgerichtet. Dann kam Covid und man konzentrierte sich nur auf das, was funktionierte.

 

Und jetzt wird alles besser?

P.H.: Ab 2024 bin ich vermehrt in Deutschland, sagen wir in Europa. Über die Hälfte des Jahres werde ich mich jedenfalls hier aufhalten und Käthe Kruse zu meiner Sache machen, auch in Hinblick auf die Kollektion. Ich würde mich wundern, wenn daraus nichts wird, denn es werden ganz neue Wege eingeschlagen. Hape wird den Standort Europa viel stärker bearbei-ten. So mancher wird sich vielleicht wundern, bei welchen Firmen wir noch einsteigen, weil die nächsten 3, 4 oder 5 Jahre von Umbrüchen geprägt sein werden. 

Warum ausgerechnet Europa?

P.H.: Weil Europa für uns der schwierigste Markt ist. In Amerika gehen wir durch die Decke. Dort hatten wir in letzten Jahren Umsatzzuwächse von 30 bis 50 %. Und auch in China hatten wir ein ähnliches Wachstum.

 

Obwohl Käthe Kruse eine Baustelle ist, kauften Sie auch noch Schildkröt, ebenfalls eine traditionsreiche Puppenmarke. Was soll das?

P.H.: Irgendeiner muss sich das doch antun. Es war wie bei Kälte Kruse. Wenn alle sagen, das war ein Fehler, dann mache ich eben noch einen
zweiten. Als ich die Puppenproduktion jedenfalls gesehen habe, alles wird komplett in Thüringen gefertigt, war ich so etwas von hin und weg, dass ich mir gesagt habe, dafür gibt es weltweit eine solide Nische. Wer mich kennt, weiß, dass ich ein Vollblut-Spielzeugmacher bin. Für die Wirtschaftlichkeit habe ich Gott sei Dank Leute, die genug davon verstehen.

 

Sie sind der Idealist, im Maschinenraum des Backoffice sitzen die Buchhalter

P.H.: (lacht) Wir haben Käthe Kruse ja nicht wegen der Produkte übernommen, sondern wegen der Werte, denn Produkte kann ich. Ich glaube, das habe ich bewiesen. Viele Investmentfirmen, die in die Spielwarenbranche eingestiegen sind, merken, dass Geld nicht alles ist, sondern dass auch Herzblut dazugehört. Für Herzblut stand Käthe Kruse von Anfang an. Ich glaube, es gibt nur ganz wenige Leute, die das wollen und auch können, mit Herzblut etwas voranzutreiben, was irgendwann zum Erfolg führt, aber ich bin mir sicher, dass ich so jemand bin. Man darf mich Träumer nennen, denn ich habe sie noch, die guten Träume. Aber vielleicht sind die Werte, für die Käthe Kruse steht, nämlich Vertrauen, einzigartiges Design, Authentizität und Lebensgefühl, sogar die Werte, die es gerade heute braucht, mehr noch als vor 10 Jahren.

 

Und Senger, noch eine Puppenmarke, passt die auch ins Werte-Konzept?

P.H.: Mit Senger haben wir gezeigt, dass es funktioniert. Seit wir Senger vor über 6 Jahren übernommen haben, hat sich der Umsatz verfünffacht. Das beweist auch, wenn man sich treu bleibt und nur das macht, was der Markt will, und es versteht, die sozialen Medien zu nutzen, dann kann man sich mit einer solchen Kollektion als Marke etablieren.

 

Senger wildert mit Waldorfpuppen im Portfolio von Käthe Kruse. Für was soll sich der Kunde entscheiden?

P.H.: Das stimmt, Senger hat in den letzten beiden Jahren Waldorfpuppen ins Programm aufgenommen und ich glaube, das werden wir sein lassen. Bei Senger setzen wir eher auf „Hardcore“: alles organic, alles aus Deutschland, außer Cotton, das wir aus nachhaltigem Anbau aus der Türkei beziehen. Alle restlichen Inhaltsstoffe kommen aus Deutschland. Senger soll seinen anthroposophischen Tieren treu bleiben. Käthe Kruse hat, was viele nicht wissen, seit über 25 Jahren als einzige Marke eine Waldorf-Lizenz. Alle anderen Puppen sind „Waldorf inspired“.

 

Waldorf liegt im Trend. Auch Hape zog mit Spielsachen nach. Wird nun bei Käthe Kruse die Waldorf-Linie ausgebaut?

P.H.: Persönlich könnte ich mir vorstellen, dass sich Käthe Kruse damit nicht nur auf Puppen beschränkt, sondern auch nachhaltige Holzrelated Artikel herstellt, z. B. Möbel. In dem Bereich sind wir gerade aktiv. Vielleicht gibt es später mal Käthe Kruse Kinderzimmer im anthroposophischen Stil. In diesem Jahr haben wir drei weitere Firmen in Rumänien übernommen, mit denen wir Kindermöbel produzieren.

 

Kommen wir zum Relaunch von Käthe Kruse. Den Auftakt machen die Baby- und Waldorf-Kollektionen. Wohin geht die Reise?

P.H.: Die Marke Käthe Kruse konzentriert sich wieder auf den Kernbereich. Es wird keine 2.000 Artikel mehr geben, die ich noch vorfand, als ich bei Käthe Kruse angetreten bin. Eine Premium-Marke braucht nicht viele, sondern die richtigen Produkte. Sonst heißt es nur: Und sie wissen nicht, was sie tun! Bei Käthe Kruse werden wir Produkte herausbringen, die Leidenschaft und Emotionen verkörpern. Auf der Kind & Jugend starten wir mit über 40 Artikeln, in Nürnberg folgen weitere, die frisch und innovativ sind. Gefühlt bewegen wir uns in ein bis zwei Jahren irgendwo zwischen 100 und 200 Produkten, die jedes Jahr verbessert werden. Das wird die Käthe Kruse der Zukunft sein. Wir starten im deutschsprachigen Markt, danach in Europa und in absehbarer Zeit im Weltmarkt.

 

Und den Sammlerpuppen gehts an den Kragen?

P.H.: Die Sammlerpuppen werden nach wie vor am Standort Donauwörth hergestellt. Sie sind die DNA von Käthe Kruse. Auch wenn sie momentan wirtschaftlich vielleicht nichts bringen, stehen sie für das Original, und das wollen wir auf keinen Fall aufgeben.

 

2023 wird ein herausforderndes Jahr. Wie anstrengend wird es für Hape?

P.H: Nach drei Jahren mit hohen Wachstumsraten von über 20 % im Jahr erwarte ich in diesem Jahr eine Stabilisierung. Ich glaube, wenn wir die 350 Mio. € halten können, hat die Gruppe ein gutes Ergebnis erzielt. Federn haben wir allerdings im Bereich der Profitabilität gelassen, denn die Gewinne brechen überall ein, weil der Druck auf die Produzenten zugenommen hat. Sollten wir statt 10 % nur 5 % Gewinn machen, wäre es immer noch ein gutes Jahr für uns.

 

Wo sehen Sie für die Gruppe noch Wachstumschancen?

P.H.: Es wird zu einer weiteren Konsolidierung kommen. Wer in der Zeit, als Geld nichts gekostet hat, keine Gewinne erzielt hat, für den wird es bei Zinssätzen um 5 oder 6 % schwer werden.

 

Hape setzt auf weitere Übernahmen?

P.H.: Die Hape Gruppe wird auch durch Fusionen und durch Integration von Marktsegmenten, die wir noch nicht haben, wachsen. Der größte Unterschied von Hape zu anderen Firmen ist, dass wir gefühlt 60 % bis 70 % unserer Ware selber herstellen. Das macht neben uns kaum einer und die Produktion ist der Bereich, wo wir den meisten Gewinn erzielen. Ich will nicht prahlen, aber wenn du als Holzspielzeughersteller in China unter gefühlten 500 Konkurrenten die Nummer eins bist, musst du schon was von Produktion verstehen. Aber es ging mir nie um Umsatz. Das hat sich entwickelt, weil Platz für mich da war.

 

Braucht der Markt auch Eurekakids oder war dafür kein Platz?

P.H.: Eurekakids ist noch da. Die Einzelhandelskette braucht heute keine Bank mehr. Wir könnten damit machen, was wir wollen. Wenn ich nach Europa komme, stellen wir Eurekakids neu auf. Auch hier werde ich noch für Verwunderung sorgen.

 

Herr Handstein, danke für das Gespräch

Das Gespräch führte Ulrich Texter