Flaute in Deutschlands Geschäften
Die Bundesbürger schnallen den Gürtel enger. Das durchschnittliche Geschenkbudget sinkt von 252 auf 250 Euro. Das ist der niedrigste Wert seit 2014. Inflationsbereinigt dürften die Umsätze für den Handel sogar zurückgehen. Das sind zentrale Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Kommen harte Wochen auf die Spielwarenbranche zu?
Von Ulrich Texter
Die Bundesbürger kürzen ihre Geschenkbudgets. 27 Prozent der Erwachsenen wollen ihre Ausgaben für Geschenke im Vergleich zum Vorjahr deutlich reduzieren, weitere 40 Prozent planen leichte Einsparungen. Gut jeder Zweite plant in diesem Jahr mit einem Geschenkbudget von nicht mehr als 200 Euro. Damit erreichen die Ausgaben einen Tiefstand. 2019 gaben die Bürger durchschnittlich noch 281 Euro für Geschenke aus. Die gute Nachricht der Studie lautet allerdings, dass das Budget für Spielwaren von 31 auf 32 Euro zulegen könnte. Bewahrheitet sich einmal mehr die alte Weisheit, dass am Kind zuletzt gespart wird? Die Umsätze lagen Ende Oktober jedenfalls mit einem Minus von 4 Prozent unter dem Vorjahr. Die Vorzeichen sind also alles andere als rosig.
Hintergrund
DEUTSCHLAND SPART SICH WEIHNACHTEN
Auf die Frage „Werden Sie angesichts der hohen Inflation und steigender Energiepreise ihre Ausgaben für Weihnachtsgeschenke in diesem Jahr reduzieren?“ antwortet nur ein Drittel mit „Nein.“ Zwei Drittel wollen weniger ausgeben. Quelle: EY 2023
WEIHNACHTS-SHOPPING IN DER INNENSTADT? EHER NICHT.
Auch für Deutschlands Innenstädte gibt es keine frohe Kunde. Vorweihnachtliche Events in den Innenstädten locken längst nicht mehr so viele Menschen in die Stadtzentren und Shopping-Malls wie vor der Pandemie. Nur noch für 39 % ist das vorweihnachtliche Shoppingerlebnis in den Innenstädten wichtig. Vor Corona lag der Anteil noch bei 59 %. Und obwohl der BEVH seine Prognose für den Online-Handel 2023 deutlich nach unten korrigieren musste und einen Rückgang der Umsätze von mehr als 5 % erwartet, steigt das Geschenkbudget, das online ausgegeben werden soll, von 111 auf 117 Euro, so EY. Der Online-Marktanteil steigt damit von 44 auf 47 %.
Das deckt sich mit den Erfahrungen von Toys World Chef Toni Schumacher, der mit seinem Online-Shop „wieder sehr gut unterwegs“ ist. Der Ost-Westfale will von einer Krise deshalb auch nichts wissen und rechnet mit einem Umsatzplus von 3 %, während der Handelsverband Spielwaren ein Minus von 4 % erwartet. Das sieht man beim Marktforscher Circana ähnlich. Die Nürnberger prognostizieren einen Umsatzrückgang in ähnlicher Höhe.
Dennoch zeigt sich der Kölner Handelsverband BVS für Weihnachten optimistisch. „Die Spielwarenhändler verkaufen Träume und schenken Glücksmomente“, so BVS-Geschäftsführer Steffen Kahnt.
Facts & Figures
-0,1% Modellbau und Hobby
-0,6% Baby- und Kleinkindartikel
-0,1% Technisches, edukatives & Aktionsspielzeug
+0,1% Puppen / Plüsch
+0,1% Spiele, Bücher, Lernen, Experimente, Multimedia
-0,5%Holzspielzeug, Kunsthandwerk
-0,3%Schulbedarf, Schreibwaren, kreatives Gestalten
-0,3%Modelleisenbahn & Zubehör
-0,2% Sport, Freizeit & Outdoor
-0,4% Mehrbranchen
BIS AUF AUSNAHMEN – JEDER FÜHLT DIE KRISE
Skeptisch blicken die DVSI-Mitgliedsfirmen auf die wirtschaftliche Entwicklung. So erwarten nur 15 % der Befragten eine Verbesserung, aber 42 % eine Verschlechterung im Vergleich zu 2022 (s.a.I.) Die schwächelnde Spielwarenkonjunktur deutete sich bereits im bisherigen Jahresverlauf an. Alle erfolgsverwöhnten Unternehmen verzeichneten in den ersten neun Monaten Umsatzrückgänge. So konnte zwar die Lego-Gruppe ihren Umsatz im ersten Halbjahr weltweit um 1% steigern, aber im deutschen Markt legten die Dänen in den ersten drei Quartalen mit minus 5% den Rückwärtsgang ein. Relativ stabil zeigen sich die Umsätze mit lizenzierten Spielwaren, die lediglich einen Rückgang von 2% verzeichnen mussten.
Woher rührt also der Optimismus des ost-westfälischen Spielwarenhändlers, der doch das Gebaren von Herstellern kritisiert, die mit eigenen Amazon-Stores für zusätzlichen Preisdruck sorgen? Das vollständige Interview mit Toni Schumacher lesen Sie in der nächsten Ausgabe der pt. Und wie kämpfen die im DVSI organisierten Hersteller mit dem schwierigen Marktumfeld? Eine gute Botschaft hält die EY-Studie bereit. Die Fachgeschäfte können sich 2023 behaupten.
Interview
„WIR ERLEBEN NUN EINE ART
NORMALISIERUNG“
Der DVSI-INDEX 2023 nahm in seinem Themenspecial den Standort Deutschland unter die Lupe. Die Ergebnisse überraschen nicht, werfen aber ein weiteres Schlaglicht auf die Notwendigkeit von Reformen. Ulrich Texter sprach mit DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil.
Herr Brobeil, das Weihnachtsgeschäft hat begonnen, aber die Spielwarenbranche muss vermutlich wie die Verbraucher den Gürtel enger schnallen. Das legen die vorläufigen Zahlen nahe. Wie hart trifft es Ihre Mitglieder und mit welchen Erwartungen gehen Sie in die wichtigsten Wochen des Jahres?
Ulrich Brobeil: Der 9. DVSI-INDEX mit dem diesjährigen Schwerpunkt „Standort Deutschland“ zeigt ein differenziertes Bild. Trotz eines bisher schwierigen Jahresverlaufes erwarten nach wie vor die großen Hersteller ein leichtes Plus von 1,5 %. Auch die Kategorien Spiele & Puzzles sowie Plüsch schlugen sich bisher gut. Die angespannte Konjunkturlage und das schwierige Marktumfeld gehen dennoch nicht völlig spurlos an der Branche vorbei. Nach den Boom-Jahren 2020 und 2021 mit Rekordergebnissen erleben wir nun eine Art Normalisierung. Allerdings blicken unsere Mitglieder ein wenig skeptisch auf das Weihnachtsgeschäft. 15 % der Befragten gaben ab, dass es dieses Jahr besser wird im Vergleich zu 2022, während 42 % mit einer Verschlechterung rechnen. Im letzten Jahr, als der Ukraine-Krieg losging, waren es aber noch 57 %, die skeptisch waren. Am Ende lief das Geschäft nicht schlecht.
Renommierte Firmen schicken Mitarbeiter in Kurzarbeit. Wie stabil ist die Personalsituation in der Branche? Der DVSI-INDEX meldete in den letzten Jahren einen moderaten Beschäftigungsaufbau.
U.B.: Der Personalbestand dürfte weitgehend konstant bleiben, auch wenn sich gerade ein paar Firmen neu aufstellen. Aber ganz klar, einer der größten Belastungsfaktoren für unsere Mitglieder sind die Personalkosten. 85 % der befragten Produzenten gaben an, dass ihnen die stark gestiegenen Löhne und Gehälter Kopfzerbrechen bereiten würden, weshalb beim Personal erst einmal die Bremse eingelegt wurde. Immerhin haben noch 14 % ihre Mitarbeiterzahlen erhöht.
Unter welchen anderen Einflussgrößen leiden Ihre Mitglieder besonders?
U.B.: Neben den Personalkosten sind es vor allem die Belastungen durch die Einkaufspreise für Materialien, Rohstoffe und Energie sowie die deutlich stärkeren Aufwendungen durch Administration, Bürokratie und Vorschriften.
Stichwort Bürokratie. Der DVSI-INDEX nahm in dem eingangs erwähnten Themenspecial den Standort Deutschland unter die Lupe. Wie fiel das Urteil aus?
U.B.: Das unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der Note, die kürzlich der Telekom-Chef Tim Höttges dem Standort Deutschland gab, auch wenn sich seine Kritik auf die Digitalisierung bezog. Der INDEX hat zehn Kriterien abgefragt, u. a. die Qualität der Verkehrsinfrastruktur, die Höhe der Steuern und Abgaben, die Energiekosten und -sicherheit sowie Arbeitskosten und Lohnniveau. Die Ergebnisse überraschen nicht, aber machen deutlich, wie dringend Strukturreformen sind. In Schulnoten betrachtet, erhält der Standort Deutschland gerade mal eine 3,7 und was die Qualität der öffentlichen Verwaltung und insbesondere die Kosten staatlicher Regulierung und Bürokratie anbelangt, hat man die 4 schon überschritten.
Betrachten Ihre Mitglieder das als Standortnachteil, der Investitionen bremst?
U.B.: Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen machen es unseren Unternehmen jedenfalls nicht leichter. Das lässt sich aus dem INDEX ablesen, wenn 91 % sagen, dass sich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren mehr oder minder stark verschlechtert hat.
Herr Brobeil, wir bedanken uns für das Gespräch.