Mehr Mut für Nonfood
Zwischen Anspruch und Realität fehlt oft die Strategie
Von Carsten Kortum

Wo es hakt
Knapp die Hälfte der Befragten zeigt sich unentschieden, ob das Nonfood-Angebot ausreichend innovativ ist. Nur etwa ein Viertel empfindet die Auswahl als klar zu wenig neuartig. Zwar ist der fehlende Innovationsgrad kein dominierender Kritikpunkt, doch kann er – in Kombination mit Faktoren wie Preis, Relevanz oder Präsentation – zur Kaufbarriere werden. Noch wichtiger als Innovation erscheinen Kunden Auswahl und Qualität der Produkte.
Auffällig bei der Einschätzung der Entscheider auf der BRANDmate: Die Innovationswahrnehmung ist stark warengruppenspezifisch. Auch der Begriff Innovation wurde kontrovers diskutiert: Gelten neue Farben bereits als innovativ? Produktvariationen und Differenzierungen werden teils durchaus als Innovation wahrgenommen. Spielwaren schneiden in der Wahrnehmung durchschnittlich ab, gehören damit aber zu den innovativeren Warengruppen – gemeinsam mit Bekleidung und DIY-Produkten. Deutlich schlechter bewertet wurden etwa Heimtextilien oder Schuhe.
Im Workshop mit Handelsentscheidern wurden zentrale Innovationshemmnisse im Nonfood identifiziert – und praxisnahe Lösungsansätze diskutiert. Deutlich wurde: Die Hindernisse sind vielfältig und betreffen vor allem strukturelle, wirtschaftliche und kulturelle Ebenen. Zugleich existieren konkrete Ideen, wie sich das Innovationspotenzial im Handel heben lässt. Zu den häufigsten Bremsfaktoren zählen strukturelle und organisatorische Probleme wie Silodenken, fehlende Zuständigkeiten oder mangelndes Engagement seitens des Handels – insbesondere im Management. Oft verlaufen Innovationsprojekte im Sand, weil Verantwortlichkeiten nicht klar geregelt sind oder Abteilungen sich gegenseitig blockieren. Hinzu kommt, dass viele Unternehmen keine übergreifende Innovationsstrategie verfolgen – was die Umsetzung neuer Ideen erschwert und meist zu reaktiven statt proaktiven Entscheidungen führt.
Ein weiteres zentrales Hindernis ist der Mangel an Ressourcen: Begrenzte Budgets, hohe Entwicklungs- und Einführungskosten sowie ein schwer kalkulierbarer Return on Investment hemmen den Mut zur Innovation. Besonders im Nonfood-Bereich, der stark vom Aktionsgeschäft geprägt ist, lassen sich langfristige Konzepte schwer durchsetzen. Der Marktzugang ist zudem schwierig – vor allem für kleinere Anbieter, die unter hohen Listungsgebühren und geringen Testmöglichkeiten leiden. In vielen Fällen bleibt Innovation damit Wunschdenken, weil die nötige Infrastruktur fehlt. Auch die Unternehmenskultur wirkt oft innovationshemmend. Mutlosigkeit, Risikoaversion und geringe Fehlertoleranz prägen den Alltag vieler Organisationen. Statt Neues zu erproben, wird lieber auf Bewährtes gesetzt – was kurzfristig Sicherheit bringt, langfristig aber Chancen verspielt. Die „Fearless Organization“ nach Amy Edmondson ist als Konzept zwar bekannt, in der Praxis des Handels jedoch kaum angekommen. Zudem spielt das Konsumverhalten eine Rolle: Kunden fokussieren stark auf den Preis, während sich der Mehrwert neuer Produkte nur schwer vermitteln lässt. Themen wie Nachhaltigkeit oder neue Materialien stoßen oft auf Unsicherheit – sowohl beim Einkauf als auch beim Endverbraucher. KI kann hier mit gut gepflegten Datensätzen helfen, Muster zu erkennen, Prognosen zu verbessern und Unsicherheiten zu reduzieren.
Was hilft
Im zweiten Teil des Workshops wurden konkrete Ideen erarbeitet, wie die identifizierten Barrieren überwunden werden können. Ein zentraler Hebel ist der Aufbau interdisziplinärer Teams mit klaren Verantwortlichkeiten. Unternehmen sollten Innovationsprozesse aktiv steuern und dafür eigene Strukturen schaffen – z. B. durch interne Inkubatoren, agile Projektformate oder dedizierte Innovationsbudgets. Auch die Zusammenarbeit mit Start-ups, Hochschulen oder Plattformen wurde als erfolgversprechend bewertet. Sie bringen frische Impulse und helfen, alte Denkmuster aufzubrechen.
Gleichzeitig wurde betont, wie wichtig eine Kultur des Ausprobierens ist. Innovation braucht Freiräume, Experimente und die Bereitschaft, Fehler zuzulassen. Prototyping, Testmärkte oder Sonderplatzierungen („Innovationsslots“) ermöglichen es, neue Produkte risikominimiert zu testen – und wertvolle Kundenrückmeldungen zu sammeln. Unternehmen, die unperfekte erste Versionen („Minimum Viable Products“) zulassen, gewinnen Tempo und Erfahrungswerte. Auch Flops sind wertvoll – wenn sie zum Lernen führen.
Ein weiterer Fokus lag auf der besseren Verbraucheransprache. Innovationen müssen stärker vom Kundennutzen her gedacht und kommuniziert werden. Gerade Nachhaltigkeit oder Lernwert bei Spielwaren bieten Differenzierung und echten Mehrwert – wenn sie verständlich erklärt und emotional vermittelt werden. Storytelling, Erklärvideos und gezielte Social-Media-Kampagnen können dabei helfen. Vor Ort im Handel könnten Pop-up-Flächen, QR-Codes oder Live-Demos neue Produkte erlebbar machen.
Auch regulatorische Hürden wurden thematisiert. Hier wurde empfohlen, frühzeitig mit Prüfstellen, Zertifizierern oder Verbänden in den Dialog zu gehen. Wer rechtliche Anforderungen von Anfang an berücksichtigt, vermeidet spätere Blockaden. Ebenso könnten Händler gezielt Innovationsfreiräume im Sortiment schaffen – etwa durch reservierte Flächen für Neuheiten oder flexible Testplatzierungen ohne sofortige Absatzverpflichtung.
Die Diskussion auf der BRANDmate 2025 hat deutlich gemacht: Die größten Hürden für Innovation im Nonfood liegen nicht im Markt, sondern in den Strukturen. Wer innovative Produkte erfolgreich etablieren will, braucht klare Zuständigkeiten, Mut zur Veränderung und Prozesse, die Innovation nicht behindern, sondern ermöglichen. Gerade in Aktionssortimenten, bei Handelskooperationen oder im Spielwarenbereich liegen große Chancen – wenn man bereit ist, über das Tagesgeschäft hinauszudenken. Innovation ist keine Produktaufgabe allein – sondern ein strategisches Gemeinschaftsprojekt von Handel, Industrie und Verbrauchern.

Dr. Carsten Kortum
lehrt als Professor an der Dualen Hochschule Heilbronn. Der versierte Handels-Experte war zuvor viele Jahre in verantwortlichen Positionen für die Nonfood-Sparte von Lidl tätig.