Verschwundene Fixsterne
Der Verlust von Handelsstandorten setzt der Spielwarenbranche zu. Längst lassen sich Schließungen nicht immer wettmachen. Sie haben deshalb Umsatzeinbußen zur Folge. Viele Geschäftsaufgaben abseits der Großstädte finden im Stillen statt.
ES WAR EINMAL: Neugierige Blicke vor dem festlich dekorierten Schaufenster eines Kaufhauses.
Wie beispielsweise beim „Reiterle“, seit 1833 in Stuttgart eine Institution, die 2022 endgültig schließen musste. Oder der ebenfalls 2022 nach einer Insolvenz zur Geschäftsaufgabe gezwungene Hüniche Baby-Express in Schlüchtern, dessen Gründungsdatum im Jahr 1882 lag. Nicht immer gelingt es, solche Standorte für die Spielwarenbranche zu bewahren. In Schlüchtern hat es geklappt, dort ist vor wenigen Wochen in den früheren Hüniche-Laden eine Rofu-Filiale eingezogen.
HOHER BEREINIGUNGSDRUCK
Erhalten werden konnte stattdessen das in München in bester Lage am Stachus liegen- de Traditionsgeschäft Obletter. Wegen vieler Proteste in der Stadtgesellschaft zog die Ulmer Müller-Gruppe, der Obletter gehört, den bereits gefällten Beschluss zur Aufgabe des Standorts wieder zurück. Die Ulmer haben bei dieser Warengruppe einen größeren Spielraum als die meisten Wettbewerber.
In ihren europaweit fast 900 Müller-Filialen gehören Spielwaren strategisch zum Standardsortiment. Von den 4,3 Mrd. Euro Gesamtumsatz in Deutschland und Europa betrugen laut Konzernabschluss 2021/2022 die Umsätze des Drogeriesortiments 1,7 Mrd. Euro, gefolgt von Parfümerie mit rund 800 Mio. Euro. Drittgrößter Geschäftsbereich sind bereits Spielwaren mit einem Umsatz von 571 Mio. Euro. Der deutsche Anteil dürfte zwischen 380 und 400 Mio. Euro liegen. Müller gilt im Inland als klarer Marktführer im stationären Spielwareneinzelhandel. Die deutsche Tochter des irischen Filialisten Smyth belegt Rang 2 mit rund 330 Mio. Euro. Ihre über Jahrzehnte führende Rolle haben die Warenhaus-Konzerne verspielt. Das von der österreichischen Signa-Gruppe geführte Unternehmen Galeria-Kaufhof ist das traurige Überbleibsel letztlich erfolgloser Bereinigungen. Es schwanden nicht nur die Umsätze, sondern auch der Glanz.
REALITÄT HEUTE: Spielwaren zur Weihnachtszeit in der Aldi-Schütte.
SICHTBARKEIT NIMMT AB
Das zeigt sich derzeit im Weihnachtsgeschäft besonders deutlich. Die Spielware hat ihre besondere Präsenz in vielen Innenstädten verloren. Mit ihren aufwendig dekorierten Spielwaren- Schaufenstern haben Kaufhof oder Karstadt zuverlässig jahrzehntelang bundesweit den Saisonhöhepunkt der Branche schlechthin in Szene gesetzt. Wegen der zahlreichen Schließungen in den letzten Monaten gingen auch viele dieser Lichter aus.
Konsequenzen für die Umsätze der Spielwarenbranche hatte auch die Zerschlagung der Metro- Tochter Real. Weil er in diesem Sortiment starke Umsätze erzielte, gehörte der SB-Warenhauskonzern in seinen besten Zeiten zu den Top 5 der Spielwarenhändler. 2020 wurde Real an ein russisch-deutsches Konsortium verkauft, das seinen neuen Besitz komplett verwertete. Die mehr als 270 Häuser wurden weitgehend von den Wettbewerbern Edeka und Kaufland übernommen. Die Nonfood-Abteilungen wurden seitdem verkleinert, weshalb auch die Spielwarensortimente ihre einstige Umsatzstärke einbüßten. Der prognostizierte Umsatzverlust der Spielwarenbranche im Jahr 2023 um 4 Prozent auf ca. 4,5 Mrd. Euro hängt mit dem Schwund stationärer Verkaufsflächen zusammen. Was da alles verschwunden ist, wird besonders sichtbar durch den Verlust der Schaufenster-Präsentationen zum Weihnachtsgeschäft. Sie waren für sehr viele Menschen Freude spendende Branchen-Fixsterne, die nun vom Spielwarenfirmament verschwunden sind. (zim)