7 Kostbarkeiten aus Hongkong
Thomas Walter von planet toys war vor Ort bei der Hongkong Toys & Games Fair und berichtet über seine Learnings.

Die Hongkong Toys & Games Fair ist nicht nur ein Marktplatz, sondern ein Mikrokosmos, der wortwörtlich die halbe Spielwarenwelt in all ihrer Vielfalt abbildet. Mit mehr als 2.500 Ausstellern und über 80.000 Fachbesuchern ist es die zweitgrößte Spielwarenmesse der Welt und ein spannendes Gegenstück zur Spielwarenmesse in Nürnberg. Für europäische Händler und Hersteller, die nicht vor Ort sein können, bleibt sie ein Mysterium – eine Schatztruhe, die darauf wartet, geöffnet zu werden. Unser Reporter von planet toys war vor Ort, um diese Welt zu erkunden und die wertvollsten Lektionen mit nach Hause zu bringen.
1. Keine Angst vor Billig-China
Das alte Schreckgespenst – minderwertige, billige Chinaware, die Europa überschwemmt – erzeugt Ängste, doch diese Ängste sollte man relativieren. Zum einen lässt sich die Gefahr wortwörtlich mit geschlossenen Augen am Geruch erkennen. Wer trotzdem giftiges Spielzeug für seine Kinder kauft, ist selbst schuld. Und wer trotz allem für 1,64 € eine Murmelbahn auf einer Billigplattform ordert, zählt wahrscheinlich ohnehin nicht zur Zielgruppe von Fischer Technik. Es ist also letztlich ein Discount-Problem und vor allem: Man kann sich abheben durch gute Qualität und Service.
Die wahre Herausforderung liegt woanders: in der „guten Chinaware“. Von den 2.500 Ausstellern stammen rund 90 Prozent aus Hongkong und Festland-China, und hier zeigt sich ein anderes Bild: hochqualitative Verarbeitung, Produktsicherheit und ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit. Auf der Messe zeigt sich das nicht nur am Fehlen des typischen Geruchs, sondern auch am berechtigten Selbstbewusstsein der Aussteller. Samson Ko, Präsident der Toys Manufacturer’s Association of Hongkong, und Bryant Chan, Chairman des HKTDC Toys Advisory Committee, bringen es auf den Punkt: „Europäische Marken hatten ein Premium-Image. Asiatische Produkte waren oft günstige Kopien. Diese Lücke zwischen europäischen Marken und chinesischer Produktion ist geschlossen.“ Das ist der wahre Grund, sich ernsthafte Gedanken zu machen. Wie bleibt man erfolgreich, wenn sich die Prämissen derart geändert haben und wir nicht mehr die Einzigen sind, die Qualität können?
2. Be positive to be positive
„When you’re smiling, the whole world smiles with you.“ Diese Melodie scheint über der Messe zu schweben. Die asiatischen Aussteller strotzen vor Begeisterung für ihre Produkte und vermitteln das Gefühl: „Ja, das schaffen wir! Zusammen können wir Großes erreichen.“ Diese Haltung wirkt ansteckend und erzeugt eine Dynamik, die jeden Stand zum Leben erweckt. Im Vergleich dazu wirkt die europäische Zurückhaltung fast wie eine melancholische Sinfonie. Vielleicht könnte man sich eine Scheibe von diesem Optimismus abschneiden, um der eigenen Kreativität und dem eigenen Erfolg neuen Schwung zu verleihen.
3. Herkunft ist nur ein Fakt
„Herkunft ist kein Vorteil und kein Nachteil. Es ist einfach nur ein Fakt,“ sagt Peter Handstein, CEO von Hape International. Doch dieser Fakt kann zur Stolperfalle werden, wenn man sich zu sehr daran klammert. Was wirklich zählt, sind die Werte, die eine Marke verkörpert. Hapes Geisteshaltung „Love play, learn“ spricht Kinder und Eltern weltweit an. Zusammen mit kompromissloser Qualitätsorientierung und beeindruckenden Innovationen wie dem CO2-negativen Spielsystem „Korko“ beweist das Unternehmen, dass gelebte Werte die Grundlage für internationalen Erfolg sind. Eine Lektion, die zum Nachdenken anregt: Wie können Werte gefunden werden, die jenseits geografischer Grenzen relevant sind?
4. Spielen ist nicht gleich spielen
Spielen mag universell sein, doch seine Bedeutung ist kulturell geprägt. In den USA steht der Spaß im Vordergrund, in Deutschland wird das Spiel mit Ernsthaftigkeit betrachtet. Das wusste schon Friedrich Nietzsche: „Reife des Mannes: das heißt den Ernst wiedergefunden haben, den man als Kind hatte, beim Spiel.“ In Asien hingegen dominiert der Bildungsaspekt: Spielen soll klüger machen, Kinder auf das Leben vorbereiten. Diese kulturelle Vielfalt zeigt sich auch in der Produktgestaltung. Ein Mini-Rassel-Otter von Fehn wird in Asien mit Labels versehen, die die pädagogischen Funktionen – von Optik bis Haptik – hervorheben. „Die Marke steht für Qualität, Design und Nachhaltigkeit. Doch sie wird global unterschiedlich wahrgenommen“, so erklärt Christian Vollmer das Erfolgsgeheimnis von Fehn. Eine Lektion in kultureller Sensibilität, die in der globalisierten Welt unverzichtbar ist.
5. Es gibt noch eine Menge Geld zu verdienen
Die Zahlen sprechen für sich: Die Pro-Kopf-Ausgaben für Spielwaren betragen in Indien 1 Euro, in China 9 Euro, in Japan 57 Euro (Quelle: Vortrag Mr Clifton Chiu, Senior Research Analyst Euromonitor International (Hongkong)). Diese Daten verdeutlichen das enorme Wachstumspotenzial, das deutsche Hersteller gezielt nutzen können, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern. Ihre Reputation für Qualität, Sicherheit und kreative Spielkonzepte macht sie ideal geeignet, um die wachsenden Ansprüche der Mittelschichten in Indien und China zu bedienen. Dabei sind besonders Bildungs- und Kreativspielzeuge gefragt, die spielerisches Lernen fördern. Unternehmen, die rechtzeitig in Marktforschung und lokale Kooperationen investieren, könnten von diesem Aufschwung profitieren und langfristig Marktführerpositionen einnehmen.
6. Das Tor zu China ist die Drehscheibe für die halbe Welt
Früher war Hongkong das Tor zu China. Mehr oder minder der einzige Weg in den chinesischen Markt. Diese Rolle hat durch die Öffnung Chinas an Bedeutung verloren. Heute ist Hongkong weit mehr: eine Drehscheibe, die wortwörtlich die halbe Welt verbindet. 50 Prozent der Weltbevölkerung leben in weniger als fünf Flugstunden Entfernung. Diese geografische Relevanz macht Hongkong zu einem unverzichtbaren Schauplatz für Hersteller und Einkäufer gleichermaßen. Wer hier den Anschluss verpasst, verliert einen halben Planeten.
7. Fun Fact: PowerPoint ist überall langweilig
Auch das gehört zur Wahrheit der Messe: Manche Dinge sind universal – wie die Tatsache, dass auf PowerPoint-Präsentationen meist zu viel Text und zu wenig Inhalt steht. Und Podiumsdiskussionen, in denen alle wie üblich die gleiche Meinung haben, sind in Hongkong auch nicht spannender als anderswo. Doch genau das macht Mut: Es gibt weltweit Raum für neue Ideen und frische Ansätze. Wer wagt, der gewinnt – auf der Messe und darüber hinaus.

Thomas Walter
ist Diplom-Wirtschaftsingenieur (FH). Er berät und konstruiert mit seiner Firma good-market.ing B2B- und B2C-Marken. Er schreibt regelmäßig für planet toys.