Ausgespielt? Nachfolge im Einzelhandel

21.08.2025

Für Unternehmer war es noch nie so schwierig, einen Nachfolger zu finden. Besonders im Einzelhandel ist der Nachfolgedruck hoch. Der Spielwarenhandel macht da keine Ausnahme.

Von Ulrich Texter

Ein Aushang mit dem Schriftzug "Nachfolger gesucht" in einem Schaufenster eines Ladens
Börsennotiert oder Hidden Champion müsste man sein, alle Sorgen blieben darunter verborgen, jedenfalls die, sich mit Nachfolgeproblemen rumzuschlagen. Denn deutsche Unternehmen schienen für ausländische Investoren trotz der angespannten Konjunktur der letzten Jahre nach wie vor begehrt gewesen zu sein. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Deutschland bleiben begehrte Objekte von Übernahmen oder Fusionen. Das verarbeitende Gewerbe wird dabei besonders nachgefragt, vor allem bei chinesischen Einkäufern. Sieben von zehn M&A-Deals zielten auf ein KMU in diesem Segment.

Das überrascht nicht. Das Land der Tüftler und Erfinder bietet Hunderte von Weltmarktführern, die dank deutscher Ingenieurskunst in ihren Nischen oft Technologieführer sind. Der Weltmarktführer-Index-D/A/CH listet 559 Weltmarktführer auf, davon kommen über 500 aus Deutschland. Die aktuelle Ausgabe des DDW-Lexikons der Weltmarktführer spricht von 1.470 Unternehmen. Beide Rankings verdeutlichen aber auch, wo die Stärken des Standortes liegen. Elf Unternehmen schafften es beim D/A/CH-Index in der Kategorie Konsumgüter & Textilien an die Spitze, darunter Playmobil, Faber-Castell und Schwan-Stabilo. Traditionelle Sparten wie Maschinenbau, Automobil, chemische und Elektroindustrie prägen, wenig überraschend, das Ranking.

Deutschland bleibt attraktiv

Im internationalen Vergleich sind die mittelständischen Schwergewichte oft ein Schnäppchen. Gerade in jüngerer Zeit greifen ausländische Investoren wieder zu, nicht nur bei Perlen wie dem Kunststoffspezialisten Covestro, dem Nürnberger Automobilzulieferer Leoni oder dem Donau­eschinger Software-Spezialisten im Bereich Health Care, Nexus. Auch immer mehr mittelständische Traditionsunternehmen wie der Wärmepumpenhersteller Viessmann gehen in ausländische Hände. Gut 200 deutsche Unternehmen sind aktuell, so eine im April veröffentlichte Studie der Hans-Böckler-Stiftung, überwiegend oder vollständig im Besitz chinesischer Anteilseigner. Insgesamt sei das Interesse an einem Engagement in Deutschland weiterhin groß. Kritiker warnen bereits vor einem Ausverkauf der deutschen Wirtschaftskompetenz.

Alarmstufe rot

In den Niederungen des Handels und den zugigen Fußgängerzonen der Innenstädte kämpft man mit anderen Sorgen als mit der Frage, ob der Laden jetzt in die Hände chinesischer, amerikanischer oder arabischer Investoren geht. Dort ist man froh, wenn man überhaupt einen Nachfolger findet, denn die Zeiten, als die Fortführung des Geschäfts Familiensache war, sind lange vorbei. Bis Ende des Jahres 2025 hegen rund 231.000 Inhaber von mittelständischen Unternehmen, die bereits konkret ihren persönlichen Rückzug planen, Stilllegungspläne. Das sind 67.500 mehr als ein Jahr zuvor. „Die Problematik der fehlenden Unternehmensnachfolgen im Mittelstand wird sich absehbar verschärfen“, sagt Dr. Michael Schwartz von KfW Research. „Wir benötigen in Deutschland nachhaltig mehr Gründungsbereitschaft.“ Die gemeinsame Studie von Creditreform und ZEW Mannheim von Ende Mai schlägt ebenfalls Alarm. Bei den Schließungszahlen habe man in den letzten 14 Jahren keine höheren Werte gesehen.

Sicherer Hafen „Papa Staat“

Das fehlende Interesse von Familienangehörigen an einer Übernahme war laut KfW-Nachfolge­monitor 2024 für 47 % der absehbaren Stilllegungen (mit-)ausschlaggebend. Ein Jahr zuvor betrug der Wert noch 63 %. Warum das Interesse, in die Fußstapfen der Altvorderen zu treten, relativ gering ist, muss Spekulation bleiben. Unstrittig ist allerdings, dass Erwerbstätige seit Längerem eine abhängige Beschäftigung einer Selbstständigkeit vorziehen. Laut Shell-Jugendstudie 2024 ist für 91 % der Jugendlichen die Sicherheit am Arbeitsplatz sehr wichtig. Es kann deshalb nicht überraschen, dass 24 % der Studenten inzwischen in „Papa Staat“ einen attraktiven Arbeitgeber sehen, so ein Ergebnis einer Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. „Viele junge Menschen empfinden eine abhängige Beschäftigung als attraktiver und lukrativer als den Weg in die Selbstständigkeit“, ergänzt Dr. Sandra Gottschalk vom ZEW. Kleiner Trost, immerhin streben 25 % nach dem Studium eine selbstständige Tätigkeit an oder planen, ein Unternehmen zu gründen.

Die Kluft zwischen Nachfolgewünschen und Nachfolgeinteresse bleibt im Handel besonders hoch, weil die Lage hier ausgesprochen herausfordernd ist: Fachkräftemangel, neue Geschäftsmodelle, der Druck, zu modernisieren und zu digitalisieren, sowie die allgemeinen Rahmenbedingungen mit explodierenden Kosten für Miete, Personal, Energie. Mussten 2024 rund 5.000 Geschäfte für immer schließen, geht der HDE für von 4.500 in diesem Jahr aus. 2015 lag die Zahl der Einzelhandelsgeschäfte noch bei mehr als 370.000, zehn Jahre später dürften es laut HDE-Prognose nur noch etwa 300.000 sein. „Die Nachfolgeproblematik ist in der Tat ein wichtiges Thema, weil viele mittelständische Familienunternehmen vor dieser Herausforderung stehen“, so VEDES Vorstand Dominik von Rodde. „Selbstverständlich unterstützen wir unsere Handelspartner bei diesem Prozess.“

Rückzugsgefechte auf breiter Front

Der beste Support reicht nicht immer aus. Der Blick auf die Mitgliederzahlen der Verbundgruppen zeigt, dass die fetten Jahre vorbei sind. Mit rund 700 Gesellschaftern und ihren ca. 900 Geschäften ist die VEDES AG jedenfalls weit entfernt von alter Größe. Dass die Zahl der Geschäfte nicht proportional zu der Anzahl der Mitglieder nach unten rauschte, wird mit einer Tendenz zur Filialisierung erklärt. Am schlimmsten erwischte es die Konkurrenz aus Hildesheim, die 1977 von 33 Einzelhändlern gegründet wurde und in der Blütezeit der Nullerjahre dieses Jahrhunderts auf mehr als 860 Mitglieder mit über 1.000 Standorten in sieben europäischen Ländern kam. Heute ist die idee+spiel mit seinen 420 Gesellschaftern und 540 Geschäften nur noch ein Schatten vergangener Tag, die nun durch die Kooperation mit duo schreib & spiel die Flucht nach vorne antritt und mit der Iden Unternehmensgruppe einen Großhändler und Systemdienstleister im Rücken hat. Allein der Berliner Fachhandelskooperation duo gelang es in den zurückliegenden drei Jahrzehnten, bei den Mitgliedszahlen deutlich zuzulegen, auch wenn man 2024 einen kleinen Dämpfer hinnehmen musste. Zur Wahrheit zählt aber auch, dass es naturgemäß leichter fällt, von einem niedrigen Niveau dynamisch zu wachsen, als von der Leadership-Position im einstelligen Prozentbereich zuzulegen, selbst wenn man Marke des Jahrhunderts ist.

Nachfolgesuche immer komplizierter

Auch bei der Guerilla-Kooperation Arbeitskreis Richtiges Spielzeug (ARS), die gewöhnlich unter dem Radar fliegt, ist die Hochstimmung der frühen Jahre inzwischen dem normativen Zwang des Faktischen, sprich der Marktentwicklung gewichen. Vorbei die Zeiten, als ein Geschäft noch als Spielbein betrieben werden konnte. Zählte der ARS noch vor zwei Jahrzehnten über 120 Mitglieder, sind es heute 69. Was an Mitgliedern verloren geht, muss beim ARS durch persönlichen Einsatz der verbleibenden Mitglieder, Kreativität und einer Nase für Produkte kompensiert werden. „Dass wir trotzdem am Markt bestehen können“, so ARS-Geschäftsführer Philipp Dresel, „ist vor allem dem großen Engagement der Mitglieder geschuldet.“ Kein Wunder aber, dass auch in Fürth das Thema Unternehmensnachfolge eine ebenso große Rolle besitzt wie andernorts. Der ARS bespielt es, wie der Wettbewerb, mit diversen Angeboten und Seminaren für die Mitglieder. „Bis zur Coronapandemie ist es auch zahlreichen ARS-Geschäften gelungen, einen Nachfolger aus der Familie oder aus dem Mitarbeiterkreis zu finden. Seitdem ist es deutlich komplizierter geworden“, sagt Philipp Dresel. Immerhin gab es 2025 einige erfolgreiche Staffelübergaben, wie in Regensburg, Starnberg und Strausberg.

Auf gelungene Nachfolgelösungen verweist auch die VEDES. „Besonders positiv verlief die Übergabe z. B. bei der Familie Laber und Familie Wiedmann“, sagt Julia Graeber,
VEDES Vorstandsvorsitzende. „Dort konnte der Generationenwechsel erfolgreich innerhalb der Familie gestaltet werden – ein Paradebeispiel für eine weitsichtige Nachfolgeplanung.“ idee+spiel führt Wagner‘s Spiel- + Technikwelt an, wo Lutz-Oliver Wagner die Geschäfte von seinem Vater, Andreas Wagner, idee+spiel-Aufsichtsrat, übernommen hat; duo schreib & spiel nennt Pinocchio Spielwaren in der Bahnhofspassage, wo ebenfalls eine familiäre Unternehmensnachfolge glückte. Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer, das weiß man in Nürnberg.

Das jüngste Beispiel Spiel + Freizeit Peppinghaus in Münster-Wolbeck zeigt zudem, was die Stunde geschlagen hat. Der neue Player wird es zeigen müssen, ob er Spielwaren nicht nur als arrondierendes Sortiment in angestammten Buchhäusern beherrscht, sondern als Vollsortimenter eine gute Figur macht. Mit einem Zukunftsnetzwerk, einem erstmals während der diesjährigen Generalversammlungen von VEDES und Spielzeugring durchgeführten Veranstaltungsformat, wollen die Nürnberger „angehenden und zukunftsorientierten Führungskräften“ neue Denkansätze eröffnen, um erfolgreich zu sein. Die wird man brauchen, um „positiv Bekloppte“ (R. Calmund) zu bewegen, die Arbeit im Spielzeugwareneinzelhandel aufzunehmen, denn ohne Leidenschaft, Kompetenz und kühlen Verstand wird es nicht gehen.