Haben wir die richtigen Angebote?
Baby- und Kleinkindspielzeuge zählen für Toynamics zu den großen Umsatzbringern im Markenportfolio des Unternehmens. Aber auch Baby- und Beißringe konnten nicht verhindern, dass dem Expansionskurs in Deutschland ein wenig die Puste ausging. Mit einer Art von Selbstfindungsprozess, der Entdeckung neuer Verkaufsströme und einer stärkeren Orientierung am Endkunden will man gegensteuern. Ulrich Texter sprach mit Toynamics-Chef Dennis Gies

Herr Gies, 2024 wollten Sie Ihre Reise der Innovation, Nachhaltigkeit und kreativen Exzellenz fortsetzen. Die Reise ist mindestens in Deutschland gestoppt worden. Was ist los? Liegt es an den Produkten, den Konsumenten, der geopolitischen Weltlage oder muss sich nur Ihr Key Account Manager Sales mehr anstrengen?
Dennis Gies: (lacht) Vermutlich ist es eine Mischung aus allem. Was die Innovationskraft betrifft, sind unsere Produkte weiterhin State of the Art. Allerdings müssen wir uns natürlich die Frage stellen, ob der Endkunde bereit ist, das auch zu bezahlen. Da habe ich vor allem unsere neue Produktlinie Korko im Blick.
Und ist er bereit?
D. G.: Was wir seit geraumer Zeit erleben, ist, dass sich Kaufverhalten und Kaufströme massiv verändern. Als Hersteller müssen wir aber dort sein, wo unsere Kunden sind, und die sind vielleicht nicht mehr in jenen Segmenten, auf die unser Key Account Manager fokussiert ist. Das ist ein Trend, den wir seit geraumer Zeit beobachten. Dennoch haben wir 2024 als Unternehmensgruppe unser bestes Jahr in der Firmengeschichte. Der Umsatz dürfte höchstwahrscheinlich bei rund 400 Mio. € liegen.
Das müssen Sie uns erklären. Die Hape-Gruppe wächst trotz schwierigen Marktumfeldes und der Kaufzurückhaltung?
D. G.: Die Circana-Zahlen geben ja nur unsere Markenumsätze wieder. 65 % unseres Gruppenumsatzes erzielen wir mit klassischer Produktion, also als OEM-Hersteller für andere Handelspartner und andere Marken. Einige 2024 realisierte Großprojekte haben deswegen auch die Verfügbarkeit unserer Markenartikel beeinträchtigt.
Das OEM-Geschäft hängt also das Geschäft mit den eigenen Marken ab?
D. G.: Das überproportionale Wachstum kam aus dem OEM-Bereich. Das ist richtig. Wir haben aber auch ein leichtes Wachstum mit der Marke Hape erzielt, z. B. in der Sub-Category Hape Play Essentials, wo wir mit den Preispunkten etwas runtergehen und Produkte mit dem gleichen Qualitätsanspruch bringen, aber den Spielwert etwas abstufen. Mit einigen unserer Premiummarken wie Senger Naturwelt und Ambosstoys haben wir jedenfalls gute Zuwächse im Markt erzielt.
Warum boomt denn das OEM-Geschäft so stark?
D. G.: Was wir feststellen, ist, dass viele auf der Suche nach Herstellern sind, um zu konsolidieren. Da bieten wir unseren Kunden die gesamte Palette an Dienstleistungen an. Für einen Großkunden haben wir eine komplette Kollektion von 40 Artikeln entwickelt, die er als Eigenmarke vertreibt. Das ist eine große Stärke von Hape.
Stichwort konsolidieren. Stehen weitere Firmen auf der Hape-Einkaufsliste?
D. G.: Tatsächlich führen wir viele Gespräche. Gefühlt klopft alle zwei Wochen jemand bei uns an, der Unterstützung sucht oder fragt, ob wir nicht das Unternehmen übernehmen könnten. Für uns muss das Sinn ergeben, denn Unternehmen haben sich ja nicht ohne Grund so entwickelt, dass wir ins Spiel kommen. Übernahmen allein lösen allerdings nicht die Probleme, sondern ich brauche neue Strategien, um auch den Turnaround zu schaffen. Bei einigen Unternehmen, die wir aus einem Retirement-Case übernommen haben, hat es sehr gut funktioniert, aber mit den meisten Unternehmen, die wir aus einer Schräglage übernommen hatten, haben wir uns nicht immer mit Bravour geschlagen, sondern bei viel Input nur sehr wenig Output erzielt. Deshalb bauen wir auch das gesamte M&A-Geschäft jetzt um. Der Konzentrationsprozess nimmt aber zweifellos weiter zu.
War 2024 das Geschäft in Frankreich, UK, Spanien, Portugal, Benelux ebenso schwierig wie im kriselnden Deutschland?
D. G.: Die Konsumzurückhaltung können wir über alle Märkte hinweg feststellen. Das Thema sehe ich allerdings auch bei uns, denn wir müssen uns die Frage stellen, ob wir die richtigen Angebote für die Konsumenten haben. Da möchte ich mal ein Fragezeichen machen. Deshalb mache ich mir weniger Gedanken darüber, woran es liegt, sondern darüber, was wir anders machen können, um Kunden ein passendes Angebot zu offerieren. Aus meiner Sicht spielt die Konsumzurückhaltung in unserer Branche kaum eine Rolle, denn Eltern sparen erst an vielen anderen Dingen, bevor sie am Kind knausern.
Ihr Vater Peter Handstein sagte uns vor etwas mehr als einem Jahr, dass Europa von allen Märkten der schwierigste sei, während man in Amerika durch die Decke gehen würde. Woran liegt das?
D. G.: Das stimmt nach wie vor. Amerika und Asien boomen. Europa ist im Vergleich zu den anderen Märkten schon deshalb herausfordernd, weil wir hier mit sieben Sprachen agieren müssen und die Vorlieben oft komplett anders sind. Zwischen Italien, UK und Deutschland liegen, was die Produkte angeht, oft Welten. Das bedeutet für uns, dass wir mit viel größerer Manpower agieren müssen, um jeden Geschmack zu treffen. Bei Nordamerika sprechen wir von 350 Mio. Einwohnern, einer Sprache, einem Geschmack.
Unter den beliebtesten Hape-Spielzeugen sind regelmäßig Babyspielzeuge zu finden. Trifft das auch für 2024 zu und wenn ja, welche sind besonders beliebt?
D. G.: Das ist tatsächlich unser stärkstes Segment, vor allem im Bereich der musikalischen Früherziehung und bei Produkten, die ein wenig von der Montessori-Schule angehaucht sind, Spielzeug, das die Entwicklungsschritte der Kinder mitbegleitet. In der Kommunikation für unsere Baby- und Kleinkindprodukte legen wir deshalb das Augenmerk auch nicht so stark auf Alterskategorien, sondern wir wollen, dass sich Kinder frei entwickeln können. Es ist doch nicht entscheidend, ob ein Baby mit zwei Monaten oder später anfängt zu greifen. Ziel der Hape-Produkte ist es, diese Entwicklung zu unterstützen. Ob es eine All-in-One-Lösung oder unser Motorik-Würfel ist, der seit zehn Jahren der absolute Bestseller im Programm ist, spielt dabei keine Rolle.
Mit Baby Einstein haben Sie eine weitere Baby-Marke, die das „ganze Kind“ in den Blick nimmt. Was kann Baby Einstein mehr als Hape Babyspielzeug?
D. G.: Mit Kids2, das hinter Baby-Einstein steht, haben wir ein Joint Venture. Hape ist stark in der Produktentwicklung, Kids2 dafür im Bereich Content, also elektronischer Komponenten, die ins Produkt integriert werden können. Diese beiden Welten haben wir zusammengeführt, daraus sind die Baby Einstein-Produkte entwickelt worden. Hape vertreibt Baby Einstein überall dort, wo wir am stärksten sind, Kids2 eben in jenen Märkten, wo das Unternehmen am stärksten ist.
Nachhaltigkeit zählt zur DNA der Hape-Gruppe. Nun verliert Nachhaltigkeit als Kaufkriterium gerade an Bedeutung. Was heißt das für Sie?
D. G.: Nachhaltigkeit zählt in der Tat zu unserer DNA. Das kriegt man auch nicht mehr so schnell weg. Kunden wollen für Nachhaltigkeit nichts bezahlen, das betrachten sie inzwischen als selbstverständlich. Das ist die große Herausforderung, den Preis stabil zu halten oder gar damit runterzugehen, indem wir effizienter in den Produktprozessen werden und Einsparungen beim Materialverbrauch erzielen. Ein Beispiel. Vor einigen Jahren lackierten wir Sperrholz mit 70 g/m2 Lack, jetzt sind wir runter auf 30 g/m2. Das spart Material und Kosten, auf der anderen Seite ist es nachhaltig.
Auf der letzten Spielwarenmesse kündigten Sie die Erweiterung um hochwertige Baby- und Kindermöbel an. Was steht bei der diesjährigen Messe auf der Agenda?
D. G.: Ein Highlight ist sicherlich ein Konzept, das Spielzeug und Möbel zu All-in-One-Produkten zusammenführt. Der Gedanke dahinter ist, dass Spielen immer stärker ins Wohnzimmer einzieht, aber Produkte zum Lifestyle passen müssen. Aus einer Spielküche wird bei uns eine Kommode, aus einer Staffelei ein Möbelstück. Zudem fokussieren wir uns in diesem Jahr auf das Thema Spiele. Hier bringen wie eine Reihe von edukativen Gesellschaftsspielen. Im letzten Jahr haben wir noch mal massiv in Rumänien investiert und zwei leistungsfähige Werke im Bereich des Möbelbaus übernommen. Das ist zwar noch kein Thema für die Spielwarenmesse, aber zur Messe Kind & Jugend werden wir unter der Marke Hape mit einer Möbelserie kommen, die den gleichen Approach hat wie Hape Spielzeuge, nämlich innovativ zu sein.
Das Rad im Segment Baby- und Kleinkindspielzeug neu zu erfinden, dürfte kaum möglich sein. Sicherheit, Qualität, Funktionalität, das wird alles erwartet und vorausgesetzt. Was macht Hape anders?
D. G.: Für uns ist es wichtig, dass wir in der Entwicklung dynamisch und schnell sind. Außerdem ist uns der Input von Eltern sehr wichtig. Allein in diesem Jahr waren wir in Deutschland mit 16 Roadshows unterwegs. Im März 2025 eröffnen wir einen Flagship-Store in Hanau, um Trends aufzuspüren und um intensiv mit Endkonsumenten zusammenzuarbeiten. Hape ist mit Designbüros in Mailand, Dänemark, Schweden, im Tessin, in Seoul und in Ningbo global aufgestellt. Ich glaube, das ist eine unserer Stärken.
Bei Ihrem Baby- und Kleinkindspielzeug geht es um spielerisches Lernen. Was darf der Nachwuchs mit Ihrer Hilfe im kommenden Jahr lernen und vor allem: Wie?
D. G.: Im Bereich des Rollplay wird es einige Neuheiten geben, die auch in andere Felder abstrahlen, etwa in das Segment Pretend Play. Hier zeigen wir in Nürnberg u. a. die Ice Cream Bucket- und Little Dentist Playsets. Ziel ist es immer, durch die damit verbundenen Lerneffekte, seien es kognitive oder haptische, Kinder beim Erwachsenwerden zu unterstützen.
Mit „Green Planet Explorers“ legten Sie eine neue Produktfamilie aus Bambus vor, die Kinder an Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Ökologie heranführen will. Wird die Linie fortgesetzt oder mangels Nachfrage auf Eis gelegt?
D. G.: Die Nachfrage dürfte größer sein, aber sie wird fortgesetzt, denn die Linie ist für uns eine Herzenskategorie. Als wir mit Bambus 2008 auf den Markt kamen, wollte das kein Mensch, heute gibt es nahezu alles aus Bambus. Das zeigt uns, dass wir beharrlicher mit bestimmten Themen sein müssen. Green Planet Explorer ist auch deshalb wichtig, weil nicht nur das Produkt nachhaltig ist, sondern es Spielzeuge sind, die spielerisch das Thema Nachhaltigkeit fördern. Jeder in der Industrie spricht heute davon, er habe ein nachhaltiges Produkt, aber damit ist das Problem nicht gelöst. Wir müssen auch zu einem nachhaltigen Lebensstil kommen und dabei mit den Kids anfangen. Green Planet Explorer werden wir in diesem Jahr mit Virtual Reality erweitern.
„Healthy Heroes“ heißt ein von der Spielwarenmesse entdeckter Trend, vermutlich etwas zwischen Yoga, autogenem Training und Meditation, um die physische, emotionale, mentale und soziale Gesundheit von Kindern zu stärken. Hat Hape etwas Derartiges im Angebot für kommendes Jahr?
D. G.: Vielleicht spreche ich jetzt gegen unsere Branche und die Industrie, aber ich glaube, wenn sich die Eltern ein wenig mehr Zeit nehmen und am Sonntag mit ihren Kindern in den Wald gehen würden, wäre allen mehr geholfen als damit, jetzt noch ein irgendein Produkt zu kreieren, das so etwas fördert. Wir können Produkte herstellen, die das gemeinsame Spiel von Eltern und Kindern oder das Erleben in der Natur fördern, aber das braucht nicht unbedingt immer ein Spielzeug.
Herr Gies, wir bedanken uns für das Gespräch.