Nichtstun ist auch keine Lösung
Seit zehn Jahren kämpft die Spielebranche um die Aufnahme in den Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Ende März erzielte sie einen Teilerfolg: Brettspielkultur wurde ins Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Ulrich Texter sprach mit Hermann Hutter, Vorsitzender des Spieleverlag e. V. und Vizepräsident des HDE.

Herr Hutter, die Stimmung in der Wirtschaft hellt sich dank des Sondervermögens ein wenig auf. Wie ist sie bei den Spiele-Verlagen, die in den letzten zwei Jahren Federn lassen mussten?
Herrmann Hutter: Die leichten Korrekturen nach den Boom-Jahren während der Coronapandemie sind normal. Insgesamt dürften Brettspiele und Puzzle in den nächsten Jahren weiter stark zulegen. Diesen langfristigen Aufwärtstrend belegen Studien. Natürlich hat die allgemeine wirtschaftliche Situation in Deutschland auch Einfluss auf die gesamte Spielwaren- wie auf alle anderen Konsumgüterbranchen. Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Krisenjahr. Laut Prognose des Handelsverbandes Deutschland werden 2025 im Einzelhandel 4.500 Geschäfte ihre Türen für immer schließen. Es überrascht also nicht, dass die Menschen ihr Geld zusammengehalten haben oder lieber verreist sind. Das ist natürlich auch im Spielesektor angekommen.
Seit 2015 fordert der Spieleverlage e. V. die Aufnahme von analogen Spielen in den Katalog der Deutschen Nationalbibliothek (DNB). Der Koalitionsvertrag der Ex-Ampel befürwortete das Anliegen. Die Spiele-Autoren-Zunft bewertete es als Meilenstein. Leider ist daraus nichts geworden. Woran lag es?
H.H.: (lacht) Das ist Politik. Die Koalition war mit anderen Themen beschäftigt, aber grundsätzlich spüren wir schon, dass unsere Themen eine deutlich größere Aufmerksamkeit und Akzeptanz erfahren. In Essen auf der Spiel 24 führte Wirtschaftsstaatssekretär Michael Kellner zahlreiche Gespräche mit Verlagen und Vertretern der Branche wie u. a. mit der SAZ und Juroren von Spiel des Jahres. Das Bewusstsein, wie bedeutsam Spiele in unserer Gesellschaft, im sozialen wie im kulturellen Umfeld sind, das hat nach meiner Auffassung zugenommen. Richtig ist aber auch, dass das, was in einem Koalitionsvertrag steht, nicht automatisch umgesetzt wird. Wir hoffen, dass das Thema in dieser Legislaturperiode wieder intensiver bearbeitet wird.
Die Bibliotheken wären dabei, wenn es so weit kommt?
H.H.: Schwieriges Terrain, denn daran stören sich zum Teil auch Verwaltungsleute. Wir üben natürlich Druck von allen Seiten aus. Warten wir ab, was passiert. Die Idee, die unlängst in den Medien aufploppte, einen richtigen Kulturminister und nicht nur einen Beauftragten für Kultur und Medien zu benennen, hat einen gewissen Reiz, um das Thema Kultur generell und unabhängig von Spielwaren und Spielen nach vorne zu bringen.
Was wünschen Sie sich heute, zehn Jahre später? Im Sondierungspapier stand lediglich etwas von gleichen und gerechten Bildungschancen für Kinder und Jugendliche.
H.H.: Kinder sind natürlich die Zukunft der Gesellschaft, das muss die Politik anerkennen. Dazu gehören viel Unterstützung im edukativen Sektor und eine gute Ausbildung. Spiele können ein Beitrag dazu leisten, weil wir sicherlich Produkte für die Bildung und für die Entwicklung von Kindern haben, z. B. für soziales Verhalten. Der pädagogische Mehrwert ist unbestritten. Aktuell stehen eher Wirtschaft, Steuern und Verteilung im Fokus, aber das heißt nicht, dass in diesem Feld nichts passieren wird.
Ein Konzeptpapier, das vor einiger Zeit kursierte, wünschte sich eine gezielte Förderung von analogen Spielen. Können Sie uns erklären, warum, wenn die Branche doch so innovationsstark ist?
H.H.: Es gibt einige Ansatzpunkte, wo der Staat unterstützend wirken kann. Richtig ist zwar, dass die Branche eine gute Entwicklung aufweist und viele stark frequentierte Messen hat, aber unabhängig davon müssen Spiele stärker in Kindergärten und Schulen verankert sein. Dafür müssen Mittel bereitgestellt werden. Ein weiterer Punkt wäre die Förderung der Spiele-Wissenschaft, um das Thema noch tiefer zu durchdringen. Dafür braucht es Forschungsmittel, und sicherlich sollten auch öffentliche Bibliotheken mit einem Budget ausgestattet werden, um sich mit Spielen besser auszustatten. Aus meiner Sicht ist es einfach wichtig, dass die Politik erkennt, dass Spielen ein wesentlicher Faktor für unsere Gesellschaft ist, für den sie gute Rahmenbedingungen schaffen sollte.
Im Papier hieß es, der Staat solle Entwicklung, Produktion, Marketing und Vertrieb fördern – bis hin zu Investitionen für innerstädtische Spielwarenhändler. Doch Deutschland steckt voller Subventionen, wie der Kieler Bericht zeigt. Warum solche Forderungen für eine wirtschaftlich erfolgreiche Branche?
H.H.: Die Verlage fordern keine Zuschüsse für ihre Arbeit, sondern gezielte Förderung und mehr Aufmerksamkeit – etwa für Spitzenleistungen. Die Computerspielbranche hat ihren Deutschen Computerspielpreis und erhielt in Spitzenzeiten bis zu 70 Mio. € Förderung. Bei Start-ups geht es vor allem um bessere Rahmenbedingungen, also ein gründungsfreundlicheres Klima, inklusive Bürokratieabbau. Fördergelder oder -kredite helfen zusätzlich, da Verlage viel vorfinanzieren müssen. Auch Programme zur Messeteilnahme im Ausland oder eine bessere Ausstattung öffentlicher Institutionen mit Spielen zählen dazu. Das sind keine Subventionen, sondern kulturelle Förderung.
Der Normenkontrollrat will bessere Gesetze, die Reform-Initiative einen handlungsfähigeren Staat. Was muss sich ändern, damit es bei Spieleverlagen dynamischer wird?
H.H.: Einiges. Von keinem Politiker habe ich bisher gehört, dass er gegen Bürokratieabbau wäre. Fakt ist aber, dass die Dokumentationspflichten immer mehr werden, was uns alle nicht weiterbringt. Die gesamte Wirtschaft wünscht sich vernünftige, praxisnahe Regeln. Nehmen wir die Entwaldungsverordnung. Wenn wir nachweisen müssen, ob für die Pappe der Baum in Rumänien oder in Deutschland geschlagen wurde, haben wir ein Problem. Beim Lieferkettengesetz gibt es zwar gute Ansätze, aber es wird wie so oft über das Ziel hinausgeschossen. Die EU-Verpackungsverordnung bildet den Rechtsrahmen, aber jedes EU-Land macht sein Ding. Wollen wir alle länderspezifischen Logos auf die Spiele-Schachtel drucken, hätten wir zum Beispiel alle länderspezifischen Verpackungs-Logos auf den Schachteln und kaum noch Platz für Informationen zum Spiel.
Sie übertreiben!
H.H.: Nein, es gibt viele Dinge, die einfach nicht sein müssten. Das müssen wir dringend ändern, denn Nichtstun ist keine Lösung. Das gilt auch in anderen Bereichen, wenn ich nur an TEMU und Shein denke. Während uns hier die Behörden mit Vorschriften und Regularien im Nacken sitzen, fluten Millionen von Paketen mit Produkten, die nicht den Sicherheitsbestimmungen entsprechen, den europäischen Markt. Sie umgehen den Zoll und führen die Umsatzsteuer nicht ab. Das wird seit Jahren auch von der Politik kritisiert, aber was ist das Ergebnis?
Sagen Sie es uns!
H.H.: Neulich war ich mit dem Handelsverband zu Gesprächen in Brüssel bei der Kommissarin für Umweltschutz und Kreislaufwirtschaft, Jessica Roswall. Die EU, hieß es, habe eine Art Werkzeugkasten entwickelt, um dagegen vorzugehen. Die Praxis sieht immer noch anders aus. Hiesige Unternehmen, vor allem die Mittelständler, werden nach wie vor benachteiligt und keiner geht wirkungsvoll dagegen vor.
Herr Hutter, wir bedanken uns für das Gespräch.