Spielwaren­branche braucht Kurswechsel

9.06.2025

DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil warnt vor anhaltender Konjunkturschwäche und einer neuen Billigwaren-Welle aus China – und fordert entschlossenes Handeln von Berlin und Brüssel.

Planet Toys Gefühlt. Gekauft. Geschenkt.

Herr Brobeil, Ihre Blitzumfrage zum Handelskonflikt zeigt, dass über zwei Drittel der DVSI-Mitglieder mit höherer Inflation, Teuerung und einer Eintrübung der Konsumstimmung rechnen. Steht der Spielwarenbranche das dritte Rezessionsjahr bevor?

Ulrich Brobeil: Deutschland steckt in der längsten konjunkturellen Schwächephase seiner Geschichte. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten auch für das laufende Jahr keine grundlegende Besserung – das wäre dann das dritte Rezessionsjahr in Folge. Diese anhaltende Wachstumsschwäche zeigt sich auch in den Zahlen der Spielwarenbranche, die sich – auch wenn am Kind zuletzt gespart wird – der allgemeinen Entwicklung nicht ganz entziehen kann. Konjunkturerwartungen, Einkommenserwartungen und Anschaffungsneigung haben sich seit Jahresbeginn zwar leicht verbessert, aber das Konsumklima bleibt nahezu unverändert. Zu den strukturellen Schwächen, die unsere Mitglieder schon in der Umfrage Quo vadis Standort Deutschland beklagt haben, kommt jetzt noch die protektionistische Handelspolitik der USA hinzu. Die Rahmenbedingungen und die Zerwürfnisse im Welthandel sind also alles andere als rosig. Entscheidend werden die nächsten Monate – vor allem die Reformpolitik der neuen Berliner Regierung.

 

Seit Jahren fordert der DVSI, dass TEMU & Co. endlich stärker reguliert werden. Die bisherigen Maßnahmen gelten vielen als unzureichend. Nun droht laut Umfrage eine neue Welle billiger China-Produkte. Braucht Europa Zölle auf „Made in China“?

U.B.: Persönlich glaube ich nicht, dass uns eine Strategie „Wie du mir, so ich dir!“ weiterhilft – im Gegenteil, sie könnte die Spirale weiterdrehen. Der DVSI hofft daher, dass den Ankündigungen aus Berlin und Brüssel nun Taten folgen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie die EU-Kommission haben bereits Aktionspläne zum E-Commerce vorgelegt, die zentrale Forderungen der Spielwarenbranche aufgreifen: bessere Marktüberwachung, verbesserte Zollkontrollen und höhere Anforderungen an Wirtschaftsakteure. Papier ist bekanntlich geduldig – jetzt geht es da­rum, ins Machen zu kommen. Auch wenn unsere Zoll-Umfrage die Sorgen über eine neue Schwemme billiger Produkte bestätigt, heißt das nicht automatisch, dass Europa betroffen sein wird. Ich rate dazu, zunächst das umzusetzen, was bereits auf dem Tisch liegt. Der DVSI, das Toy Forum Austria und der Schweizer Spielwarenverband denken derzeit über eine gemeinsame Aufklärungskampagne nach – auch das ist Teil der Aktionspläne.

 

Ihre Mitgliedsunternehmen wollen wegen des Handelskonflikts den EU-Binnenmarkt stärker in den Fokus nehmen. Klingt bei 450 Millionen Konsumenten logisch – doch beklagen dieselben Mitglieder nicht, dass jedes Land trotz EU-Richtlinien sein eigenes Süppchen kocht? Wie soll das funktionieren?

U.B.: Hätte ich auf diese Frage eine Lösung, bekäme ich wahrscheinlich den Karlspreis, der für Verdienste um die europäische Verständigung vergeben wird. Es stimmt: Besonders die unterschiedlichen Regelungen zur Verpackungskennzeichnung sind unseren Mitgliedern ein Dorn im Auge. Spanien, Portugal, Frankreich – jedes Land scheint eigene Wege zu gehen. Das Problem ist, dass es neben EU-Richtlinien auch einzelstaatliche Vorgaben gibt – das wird auch so bleiben. Trotzdem bleibt der EU-Markt ein attraktiver Raum für Wachstum.

 

Die DVSI-Mitglieder befürworten neue Freihandelsabkommen. Deutschland blockierte in der Vergangenheit oft – etwa bei TTIP, CETA oder Mercosur. Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung?

U.B.: Um es mit dem Generalsekretär der vielleicht letzten Volkspartei zu sagen: „Einfach mal machen!“ Deutschland braucht Strukturreformen, Wachstumsimpulse – und einen echten Stimmungswechsel. 50 Prozent der Wirtschaft ist Psychologie, soll ein bekannter Franke gesagt haben. Die neue Regierung scheint das erkannt zu haben. Die Themen sind seit Jahren bekannt: Priorisierung in der Wirtschaftspolitik, Bürokratieabbau, Staatsmodernisierung. Entscheidend wird sein, was davon tatsächlich bei der Wirtschaft ankommt.