Was kleine Firmen von großen Marken lernen können

9.06.2025

Marke ist nur was für die großen, reichen Firmen? Von wegen – gerade kleine Firmen profitieren am meisten von den Geheimnissen guter Markenführung.

Planet Toys Gefühlt. Gekauft. Geschenkt.

Ein Spielwarengeschäft verkauft Spielwaren. Ein Spielzeughersteller stellt Spielzeug her. Das klingt trivial, ist es aber nicht – gerade für kleine Hersteller oder kleine Händler. Sie befinden sich im Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die exakt das Gleiche machen: Auch die anderen stellen Spielzeug her oder verkaufen es. Wa­rum sollte sich ein Kunde für das eine Angebot entscheiden, wenn es auf der anderen Straßenseite mehr oder minder das Gleiche gibt? Mit dem Holzspielzeug von Hersteller A spielt es sich genau so gut wie mit dem von Hersteller B. Und das Lego Set aus Lauras Spielbude ist das gleiche wie das von Müller oder Amazon.
In dieser Situation gibt es scheinbar nur zwei Lösungen: mehr bieten oder weniger nehmen. Ersteres ist gar nicht so einfach. Letzteres auf die Dauer ruinös. Natürlich kann man als Händler seinen Kunden Extras anbieten oder als Hersteller eine besondere Garantie abgeben. Ist die Idee gut, wird die Konkurrenz sie übernehmen und alles bleibt beim Alten. Wenn nicht, steht man hinterher schlechter da als vorher.

Der dritte Weg: die Marke

Was wäre, wenn es einen dritten Weg gäbe? Machen wir ein Gedankenexperiment: Was ist so toll an Wasser, Saccharose, Glucose, Säuerungsmittel (Citronensäure), Natriumcitraten, Kohlensäure, Taurin (0,4 %), Koffein (0,03 %), Vitaminen (Niacin, Pantothensäure, B6, B12) und Aromen? Das klingt nicht attraktiver als Wasser, Zucker, Kohlensäure, Farbstoff E 150d, Phosphorsäure und Aroma. Die erste Liste ist das Rezept für Red Bull. Die zweite das für Coca-Cola. Beide sind wahrscheinlich nur ein paar Cent wert, werden aber für ein Vielfaches davon verkauft. Weil sie Marken sind!

„Die geben ja auch Millionen für Werbung aus“, lautet ein Einwand gegen die Marke als dritten Lösungsweg. Aber das ist zu kurz gedacht. Diese Unternehmen sind nicht Marken, weil sie viel Geld ausgeben. Sie haben viel Geld, weil sie Marken sind. Der Weg dahin steht jedem offen. Auch Lauras Spielbude.

Nicht Geld, sondern Geisteshaltung

Marken unterscheiden sich von „normalen Produkten“, weil es ihnen gelingt, eine Beziehung zu ihren Kunden aufzubauen, indem sie eine verbindende Geisteshaltung ansprechen. Red Bull z. B. steht für „Ich suche den Kick in allem, was ich mache“. Das hat zwei Vorteile: Es macht die Marke einzigartig und es erhöht schlagartig den Wert. Ein zusätzlicher Kick ist mehr wert als 0,4 % Taurin. Das Ganze hat einen wissenschaftlichen Hintergrund. Aus der Psychologie weiß man, dass Menschen Entscheidungen aufgrund sogenannter „subjektiven Theorien“ treffen. Das sind individuelle Erklärungsmodelle für bestimmte Lebensbereiche. Wie zum Beispiel die Wahl des Einkaufsorts für Spielzeug. Subjektive Theorien lassen sich gut ermitteln.

Der erste Schritt: Subjektive Theorien ermitteln

Dafür gibt es erprobte Verfahren wie z. B. die „Struktur-Lege-Technik“. Für einen Spielwarenhändler würde man die Aussagen von Eltern, Kindern, Mitarbeitern, Inhabern usw. auf innere Zusammenhänge überprüfen, Gemeinsamkeiten und Beziehungen aufdecken und so in mehreren Wiederholungen die subjektive Theorie herauskristallisieren. Wer die subjektiven Theorien seiner Zielgruppe kennt, kann dementsprechend handeln und den Abstand zur Konkurrenz vergrößern. Deshalb verleiht Red Bull so erfolgreich Flügel. Auch Lauras Spielbude kann das. Die gute Nachricht ist: All das befindet sich bereits in den Köpfen der Menschen. Man muss es nur herausfinden. Das ist der erste Schritt hin zur Marke und aus dem Dilemma des kleinen Anbieters.

Thomas Walter

Wirtschaftsingenieur und Markenexperte konstruiert mit seiner Firma good-market.ing Marken- und Vermarktungsstrategien auf wissenschaftlicher Basis. Mehr unter good-market.ing