Wirtschaft nicht überfordern
Vertrauen ist die einzige Währung, die zählt. Das gilt in Partnerschaften wie in der Wirtschaft. Vertrauen ist auch das, was die Politik zurückgewinnen muss, um Deutschland wieder auf Kurs zu bringen. Das glaubt man bei Bruder Spielwaren. Ulrich Texter sprach mit Paul Heinz Bruder über Anpassungen, Bürokratiemonster, geopolitische Verwerfungen und die Zukunft.

Paul Heinz Bruder: Als Tiefpunkt würde ich das nicht bezeichnen, aber natürlich musste auch Bruder die ursprünglichen Planungen für 2024 anpassen.
Wo liegen denn die angepassten Planungen? 2022 war mit 100 Mio. € das beste Jahr der Firmengeschichte, 2023 ging es leicht um 2,45 % zurück.
P. H. B.: Wir hoffen, die 90 Mio. € zu erzielen. Die letzten sechs Wochen des Jahres werden darüber entscheiden. Die Bestellungen sind zwar zum größten Teil eingegangen, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass noch nachgeordert wird. Unsere Lieferfähigkeit ist in diesem Jahr sehr gut, wir können just in time liefern.
Mit einem Exportanteil von 70 % ist Ihr Unternehmen global aufgestellt. Bruder-Trecker gehen in 60 Länder der Erde. Wo macht es Ihnen derzeit mehr Spaß als in Deutschland?
P. H. B.: Die USA sind nach einer Schwächephase zurückgekommen. Alles in allem muss man derzeit allerdings sagen, dass der Export rückläufig ist. Legt man die deutsche Brille ab, zeigt sich, dass nahezu ganz Europa mit grundsätzlichen Problemen zu kämpfen hat. Nicht umsonst rückt die neue EU-Kommission die europäische Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum. Der Umsatz, den wir in Deutschland erzielen, ist dennoch nicht schlecht. Die Circana-Zahlen sind auch ein wenig mit Vorsicht zu bewerten.
Las man manche Kommentare nach der US-Wahl, steht der Untergang Europas unmittelbar bevor. Ökonomen befürchten, Trumps Comeback hat massive Folgen für die deutsche Wirtschaft. Was glaubt Bruder, der sagt, Bruder Spielwaren ist in den USA zurück?
P. H. B.: An diese Schreckens- und Horrorszenarien glaube ich nicht. Das ist eher ein Thema für Journalisten. Die Entwicklung, dass die USA mehr an sich denken, zeichnete sich schon früher ab. Unter Biden gab es bereits Weichenstellungen in Richtung „America first“. Denken Sie an Zölle auf Fahrzeuge. Ob es mit Kamala Harris anders gekommen wäre, weiß ich nicht. Die Botschaft wäre womöglich nur ein bisschen schöner verpackt worden.
Die Spielwarenbranche war lange ein fester Anker hinsichtlich Beschäftigung. Das scheint Geschichte zu sein. Konnten Sie die Mitarbeiterzahl stabil halten?
P. H. B.: Die Spielwarenbranche ist sehr von den saisonalen Höhepunkten abhängig. Die Ausschläge haben wir mit Saisonkräften aufgefangen. Das brauchten wir 2024 nicht. Uns war wichtig, unser Stammpersonal zu halten, was uns gelungen ist. Das ist auch 2025 unser Ziel.
Spielwarenhersteller beklagen laut der DVSI-Umfrage die hohen Personalkosten, den immer größeren Aufwand für Bürokratie und Vorschriften. Aus Brüssel kommen die neue Spielzeugverordnung, der digitale Produktpass, die Abholzungsverordnung, Taxonomie, das Lieferkettengesetz. Brauchen wir ein Moratorium zum Stopp?
P. H. B.: Die Aussagen zu den wichtigsten Zeit- und Kostentreibern sind absolut richtig. Manches ist politisch gewollt, wenn ich die Personalkosten betrachte. Natürlich ist eine gewisse Anpassung der Löhne an die hohe Inflation verständlich. Am Ende muss aber auch die Rentabilität stimmen. Wenn der Mindestlohn um 20 % angehoben wird, stellt sich die Frage, wer solche Steigerungen in so kurzer Zeit verkraftet. Die Beschäftigten erhalten ja keine 20 % netto zum Konsumieren, sondern die Sozialabgaben rauben wieder einiges von dem Plus. Für Unternehmen ist das eine doppelte Belastung, weil die Arbeitskosten damit weiter verteuert werden. Hinzu kommen die hohen Energiekosten und der Aufwand für Berichtspflichten. Vieles kommt aus Brüssel, aber Deutschland neigt dazu, Richtlinien, die in nationales Recht überführt werden müssen, weiter zu verschärfen.
Also doch ein Moratorium, vielleicht mit der neuen Regierung?
P. H. B.: Einen Stopp von weiteren bürokratischen Regelungen hätte ich mir schon vor drei Jahren gewünscht. Deutschland ist ja nicht nur ein Land mit vielen Freiheiten und den im Grundgesetz fixierten Menschenrechten, sondern auch ein Land von DIN und Standards. Warum wir immer stärker kontrolliert werden und ständig beweisen müssen, dass wir nach dem Gesetz leben, erschließt sich mir nicht.
Um in Deutschland als Mittelständler überleben zu können, sagten Sie uns vor gut einem Jahr, braucht man einen langen Atem. Konnten Sie nach der Ampel-Scheidung mal richtig durchatmen?
P. H. B.: Erst einmal muss eine neue Regierung gebildet werden. Danach wird man sehen, ob die Zeit zum Durchatmen kommt.
Was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung, damit Deutschland aus dem wirtschaftlichen Tief rauskommt, vor allem für den Mittelstand?
P. H. B.: Einfach mehr Vertrauen zu den Menschen, zur Bevölkerung. Es ist nicht zielführend, dass wir alles vorgeschrieben bekommen. Jahrzehntelang haben wir dieses Land aufgebaut und zu dem gemacht, was es heute ist, ein Land mit Rekordsteuereinnahmen. Mit Corona nahm das latente Misstrauen weiter zu und führte zu weiteren bürokratischen Regelungen. Das muss ein Ende haben. Wir als Unternehmen, die hier ansässig sind, verwüsten nicht die Umwelt und bezahlen Steuern, und man sollte uns nicht ständig mit neuen Berichtspflichten überziehen. Das ist die zukünftige Aufgabe der Politik. Manchen Parteien der Mitte dämmert es langsam.
Wie kann man Vertrauen wiedergewinnen?
P. H. B.: Bürokratische Richtlinien oder Verordnungen müssen sich auf das Nötigste beschränken und die Umsetzung zeitlich so gestaltet werden, dass sie auch umsetzbar bleiben und die Industrie nicht überfordern, was nur zu einer Deindustrialisierung führt.
Der Digital Service Act ist ein Gesetz, das „europäische Werte“ auf Online-Plattformen regeln will. Seit einiger Zeit läuft die Spielwarenbranche Sturm gegen Billig-Plattformen aus Drittstaaten, weil oft keine Sicherheits- und Qualitätsstandards eingehalten werden. Wie stark ist Bruder davon betroffen?
P. H. B.: Aussagen darüber wären nur spekulativ. Wir spüren das momentan nicht direkt, aber das könnte sich ja durchaus ändern. Die Problematik ist zudem nicht neu. Amazon unterbreitet ja ebenfalls Angebote, die direkt aus China kommen. Mit TEMU und Shein ist nur eine neue Qualität aufgekommen. Was besonders ärgerlich ist, dass auf diesen Plattformen niemand für Produktqualitäten verantwortlich ist. Wir müssen alle gesetzlichen Vorgeben einhalten, ob es die Vorgaben der Spielzeugverordnung sind oder der digitale Produktpass. Das tun wir gerne, denn es geht um Kinder. Werden für uns die Daumenschrauben aber derart angezogen, dass wir im Wettbewerb mit chinesischen Firmen auf solchen Plattformen nicht mithalten können, kann das nicht in Ordnung sein.
Der Online-Handel erlebte 2022 und 2023 eine Durststrecke. Jetzt meldet er sich zurück. Wie entwickeln sich die Vertriebswege bei Bruder?
P. H. B.: Der stationäre Handel ist relativ stabil. Die Konjunktur geht allerdings an ihm wie auch am Online-Handel nicht spurlos vorbei, der sicherlich nicht mehr so dynamisch wachsen wird. Das Thema Online-Handel ist dennoch nicht vom Tisch, weil es auch eine Generationenfrage ist. Die junge Generation neigt mehr zum Online-Shopping, sodass ich glaube, dass der Umsatzanteil weiterwächst. Viele stationäre Händler setzen aber inzwischen ja auch auf Omnichannel.
Welche Rolle spielt der stationäre Handel für Bruder? Sie sind selbst mit einem Shop im Netz.
P. H. B.: Der stationäre Handel steht für Einkaufserlebnis. Er ist Anlaufpunkt, um mit einer Marke den Kontakt zum Kunden aufzubauen. Das kann der Online-Handel nicht in dem Maße, weshalb es wichtig bleiben wird, einen gesunden Mix zu finden. Mit unserem Online-Shop sind wir zufrieden, aber er ist nicht entstanden, um mit unseren Kunden in Wettbewerb zu treten, sondern als Serviceangebot für Ersatzteile, um so unsere Produkte noch langlebiger zu machen.
Die Prognosen der Wirtschaftsweisen für 2025 sind nicht gut. Wird es wenigstens für die Spielwarenbranche besser?
P. H. B.: Das glaube ich nicht, weil viele Themen auf europäischer Ebene gelöst oder neu ausgerichtet werden müssen und eine neue deutsche Regierung sich erst einmal finden muss. In anderen europäischen Ländern sieht es ebenfalls nicht viel besser aus. 2025 wird aus meiner Sicht deshalb ein Konsolidierungsjahr, aber natürlich wäre es mir lieber, wenn der Markt und Bruder wachsen könnten.
Gut zehn Neuheiten kommen durchschnittlich jedes Jahr aus Burgfarrnbach. Mit was dürfen die Bruder-Fans 2025 rechnen?
P. H. B.:Wir erweitern unsere ROADMAX-Serie für Kinder ab 2 Jahren. Im landwirtschaftlichen Bereich kommen ein neuer Traktor, eine Einzelkornsämaschine sowie Zubehör. Wir achten darauf, dass wir unseren Kunden ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis und einen guten Gesamtmix bieten, sowohl was das Portfolio als auch die Preisstellung angeht.
Heißt, Sie haben die Neuheiten stärker auf das gefühlt schmalere Budget der Konsumenten ausgerichtet?
P. H. B.: Natürlich kann man einen großen, einen mittleren oder einen kleineren Bagger entwickeln. Im Moment bevorzugt der Konsument die mittlere und kleinere Variante. Die neuen Produkte sind bei der aktuellen Konsumhaltung gute Angebote, aber natürlich bringen wir mit einem Berge- und Abschlepp-LKW auf Basis von Scania auch 2025 ein echtes Highlight.
Herr Bruder, wir bedanken uns für das Gespräch.